Théodore de Bèze, Du droit des magistrats sur leurs subjets (Genf, 1574),
(Übersetzung in reformationszeitlich-präzisem, aber zeitgemäßem Stil)
Kapitel I – Vom Ursprung und Zweck der Obrigkeit
Gott hat von Anfang an gewollt, dass unter den Menschen eine gewisse Ordnung bestehe.
Denn nachdem er den Menschen nach seinem Bild geschaffen hatte, setzte er ihn nicht als Herrscher über Menschen, sondern über die Geschöpfe dieser Welt.
Doch sobald sich Menschen mehrten und in Gemeinschaft lebten, war es nötig, dass unter ihnen eine Leitung und Regelung entstehe, damit Friede und Gerechtigkeit gewahrt blieben.
Diese Ordnung stammt also nicht aus menschlicher Willkür, sondern aus göttlicher Vorsehung.
Gott selbst ist der Urheber aller rechtmäßigen Obrigkeit, wie der Apostel bezeugt: „Es gibt keine Obrigkeit außer von Gott; die bestehenden sind von ihm eingesetzt.“
Darum ist Obrigkeit an sich ein heiliges Amt – eine sichtbare Gestalt der göttlichen Ordnung, durch die Gott die Welt regiert.
Nicht weil die Menschen es so beschlossen hätten, sondern weil Gott es zur Bewahrung des menschlichen Zusammenlebens eingesetzt hat.
So wie Gott die Sonne gesetzt hat, um den Tag zu regieren, so hat er auch Menschen bestimmt, die über andere wachen sollen – nicht zu ihrem eigenen Vorteil, sondern zum Wohl der Gemeinschaft.
Denn die Obrigkeit ist nicht zum Verderben, sondern zum Schutz der Menschen gegeben.
Sie soll das Gute fördern und das Böse strafen, damit jeder in Frieden arbeiten, leben und Gott dienen könne.
Daraus folgt: Wer gegen die rechtmäßige Obrigkeit aufbegehrt, widersetzt sich nicht einem Menschen, sondern der Ordnung Gottes selbst.
Doch ebenso gilt: Wenn eine Obrigkeit ihr Amt verkehrt und das tut, was Gott verbietet, so widersetzt sie sich Gott – und verliert damit die Würde ihres Amtes.
Denn Gott hat nicht Menschen zu Herren über das Gewissen gemacht, sondern allein Christus.
Darum bleibt die Obrigkeit Dienerin, nicht Herrin: Sie hat zu regieren im Gehorsam gegen Gottes Gebot, nicht über dasselbe.
Der Ursprung der Obrigkeit liegt also in Gottes Güte; ihr Zweck ist die Erhaltung des Friedens und die Bewahrung der Gerechtigkeit.
Ihre Aufgabe ist, dass jeder nach seinem Beruf ungehindert leben kann, ohne Furcht vor Gewalt und Unrecht.
Sie soll das Gute beschützen, die Schwachen verteidigen, die Übeltäter bestrafen – und auf diese Weise das Ebenbild Gottes im Menschen ehren.
Kurz gesagt: Die Obrigkeit ist Gottes Dienerin zur Ordnung der Welt, wie das Predigtamt Dienerin zur Ordnung der Kirche ist.
Beide Ämter haben ihren Ursprung in Gott; beide verfehlen ihren Zweck, sobald sie an die Stelle Gottes treten.
📖 Kommentarhinweise:
- Beza begründet Obrigkeit als göttliche Stiftung (ordinatio Dei), nicht als menschlichen Vertrag.
- Ihre Legitimität ist funktional, nicht absolut: Sie bleibt nur dann „Dienerin Gottes“, solange sie Gerechtigkeit wahrt.
- Er setzt hier die Grundlage für die spätere Unterscheidung von rechtmäßiger Obrigkeit und Tyrannei (Kap. II–III).
Kapitel II – Von der Tyrannei und den Grenzen des Gehorsams
Wie Gott die Obrigkeit eingesetzt hat, um durch sie seine Gerechtigkeit auf Erden zu erhalten,
so verabscheut er jede Herrschaft, die diesen Zweck verkehrt.
Denn wenn jene, die zum Schutz des Guten berufen sind, das Böse fördern,
wenn sie anstatt Recht zu wahren Unrecht üben,
dann verwandeln sie das göttliche Amt in ein Werkzeug des Teufels.
So wird aus Obrigkeit Tyrannei – und aus der Dienerin Gottes eine Feindin seiner Ordnung.
Darum ist es notwendig zu unterscheiden zwischen der Obrigkeit als solcher, die immer ehrwürdig bleibt,
und den Personen, die das Amt innehaben,
welche ihre Vollmacht nur so lange rechtmäßig ausüben, wie sie im Dienst Gottes handeln.
Sobald sie das Ziel des Amtes verkehren, verwirken sie die Würde, die Gott dem Amt verliehen hat.
Denn Gott hat niemals befohlen, dass man dem Unrecht dienen oder gegen sein Gebot handeln solle.
Vielmehr hat er klargemacht, dass man ihm mehr gehorchen muss als den Menschen.
Wenn also eine Obrigkeit befiehlt, was Gott verbietet, oder verbietet, was Gott gebietet,
so ist der Mensch nicht nur frei, sondern verpflichtet, solchen Befehlen zu widerstehen.
Denn es wäre ein schrecklicher Frevel, das Gewissen an Menschen zu binden,
wo doch Christus allein Herr über das Gewissen ist.
Der Gehorsam, den wir der Obrigkeit schulden, ist kein blinder und bedingungsloser,
sondern ein gehorsamer Dienst im Rahmen der göttlichen Ordnung.
Denn dieselbe Schrift, die uns befiehlt, der Obrigkeit untertan zu sein,
lehrt uns zugleich, dass die Obrigkeit „Gottes Dienerin zum Guten“ ist.
Wer also im Namen der Obrigkeit Böses gebietet, ist kein Diener Gottes mehr.
Er steht außerhalb des göttlichen Mandats und hat damit seinen Anspruch auf Gehorsam verloren.
Die alten Väter haben dies verstanden.
Die Hebammen in Ägypten gehorchten dem König nicht, als er befahl, die Kinder zu töten,
und Gott segnete sie wegen ihres Ungehorsams.
Die drei Männer in Babel weigerten sich, das goldene Bild anzubeten,
obwohl der König es befahl – und Gott selbst befreite sie aus dem Feuer.
Die Apostel predigten, obwohl es ihnen untersagt war,
und bekannten offen: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“
Dies ist kein Aufruhr, sondern Gehorsam gegenüber dem höchsten Herrn.
Denn die Pflicht des Christen ist, in allen Dingen den Willen Gottes zu tun,
und der Gehorsam gegen Menschen gilt nur insoweit, als er mit diesem Willen übereinstimmt.
Darum sündigt nicht, wer sich weigert, dem Unrecht zu dienen;
sondern vielmehr der, der es tut.
Aus alledem folgt:
Wo rechtmäßige Obrigkeit endet, da beginnt Tyrannei.
Und so wie es eine Pflicht ist, der Obrigkeit zu gehorchen,
so ist es eine Pflicht, der Tyrannei zu widerstehen –
nicht aus Hass, nicht aus Ehrgeiz, sondern aus Furcht vor Gott,
damit sein Name nicht durch das Unrecht der Menschen gelästert werde.
📖 Kommentarhinweise:
- Beza stellt hier erstmals systematisch den Unterschied zwischen „Amt“ (office) und „Person im Amt“ her – eine zentrale Unterscheidung der reformierten Widerstandslehre.
- Der Gehorsam ist konditional: Nur solange gültig, wie die Obrigkeit das Gute schützt.
- Biblische Begründungen: Ex 1 (heb. Hebammen), Dan 3 (drei Männer im Feuerofen), Apg 5 29 („Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“).
- Theologisch entspricht dies der Magdeburger Linie: Widerstand als Pflicht des Gewissens, nicht als politischer Aufruhr.
Kapitel III – Von den Pflichten der niederen Obrigkeiten
Nachdem wir gesehen haben, dass Gott selbst die Obrigkeit eingesetzt hat und dass sie ihr Amt verliert, sobald sie gegen seine Ordnung handelt,
bleibt nun zu fragen, welche Pflicht diejenigen haben, die unter einer höheren Obrigkeit stehen und doch selbst öffentliche Ämter bekleiden.
Ich meine damit die niederen Obrigkeiten – Fürsten, Räte, Bürgermeister, Richter und alle, denen über einen Teil des Volkes Verantwortung übertragen ist.
Diese niederen Obrigkeiten sind nicht bloße Werkzeuge der höheren Gewalt,
sondern Diener Gottes in ihrem eigenen Bereich.
Sie sind dem König oder Fürsten unterstellt, aber zuerst und vor allem Gott,
der ihnen das Amt gegeben hat, Recht und Gerechtigkeit zu wahren.
Darum können sie sich nicht damit entschuldigen,
sie hätten nur Befehle befolgt, wenn sie damit Unrecht unterstützen.
Denn niemand darf Gott beleidigen, um einem Menschen zu gefallen.
Wenn also ein Fürst oder eine höchste Obrigkeit offenkundig gegen Gott handelt,
die Kirche verfolgt, das Evangelium unterdrückt oder unschuldiges Blut vergießt,
dann sind die niederen Obrigkeiten verpflichtet, dem entgegenzutreten.
Nicht aus Aufruhr, sondern aus Treue zu dem Herrn,
dessen Amt sie tragen.
Sie sollen das Recht schützen, das Gute fördern und das Böse hindern – auch wenn die höhere Obrigkeit selbst zum Bösen geworden ist.
Denn das Amt verpflichtet sie, ihre Untertanen vor Unrecht zu bewahren.
Wenn sie dabei schweigen oder untätig bleiben,
werden sie mitschuldig an der Gottlosigkeit der Tyrannei.
Ein Richter, der zusieht, wie Unschuldige verdammt werden,
oder ein Rat, der duldet, dass das Evangelium verboten wird,
ist nicht besser als der, der selbst die Ungerechtigkeit befiehlt.
Solches Schweigen ist Verrat an Gott und am eigenen Amt.
Gott hat nicht zwei Arten von Gerechtigkeit gestiftet – eine für Könige und eine für die, die ihnen untergeordnet sind.
Sein Gesetz ist für alle gleich,
und alle, die ein öffentliches Amt tragen, sind gleichermaßen verpflichtet,
das Recht zu wahren, das er gegeben hat.
Darum kann kein Mensch sich darauf berufen,
er sei zu gehorsamem Unrecht gezwungen worden.
Wer gegen das Gewissen handelt, verliert die Gnade Gottes,
auch wenn er das Wohlwollen der Fürsten behält.
Es steht den niederen Obrigkeiten daher nicht nur frei,
sondern es ist ihre Pflicht, das Volk vor offenbarer Tyrannei zu schützen.
Wenn die höchste Gewalt die Kirche zerstört oder das göttliche Gesetz mit Füßen tritt,
dann ist es besser, in rechter Furcht Gott zu gehorchen,
als durch feiges Schweigen die Wahrheit zu verraten.
Gott selbst wird sie zur Rechenschaft ziehen,
wenn sie das Schwert, das er ihnen gegeben hat, nicht zum Schutz des Gerechten gebrauchen.
Darum soll niemand glauben, dass solche Gegenwehr Aufruhr sei.
Denn wahrer Aufruhr beginnt dort, wo Menschen sich gegen Gott erheben.
Wer aber dem Unrecht widersteht, um Gottes Ordnung zu erhalten,
ist kein Aufrührer, sondern ein treuer Diener des Himmels.
Denn die höchste Macht über Könige und Völker
liegt nicht in ihren Händen, sondern in der Hand dessen,
der sie gemacht hat und richten wird.
📖 Kommentarhinweise:
- Beza entwickelt hier die klassische Lehre vom Widerstandsrecht der niederen Obrigkeiten (magistratus inferiores).
- Theologisch und strukturell entspricht das fast wörtlich dem Magdeburger Bekenntnis von 1550 (VIII: „Pflicht der niederen Obrigkeit“).
- Der Gehorsam wird vertikal differenziert: 1️⃣ Gott → 2️⃣ Amt → 3️⃣ Person → 4️⃣ Volk.
Wird die göttliche Ordnung verletzt, rückt der Gehorsam zu Gott wieder an erste Stelle. - Reformatorischer Grundsatz: Defensiver Widerstand ist göttliche Pflicht, kein Aufruhr.
Kapitel IV – Von der Pflicht des Volkes gegenüber Obrigkeit und Tyrannei
Nachdem wir die Pflichten der Obrigkeiten betrachtet haben – sowohl der höheren als auch der niederen –,
bleibt nun zu fragen, was dem einfachen Volk zukommt:
Welche Pflicht haben die Untertanen gegenüber einer gerechten Obrigkeit,
und wie sollen sie sich verhalten, wenn diese zur Tyrannei verkommt?
Zuerst ist festzuhalten, dass das Volk von Gott berufen ist, in Frieden zu leben,
seine Arbeit zu tun, für die Obrigkeit zu beten und das Gemeinwohl zu fördern.
Denn Ordnung und Ruhe sind große Güter,
und wer sie leichtfertig zerstört, widersetzt sich der Hand Gottes.
Darum sollen Untertanen ihre Fürsten ehren, Steuern entrichten,
Gesetze achten und willig gehorchen,
solange jene Gesetze nicht wider Gott stehen.
Ein Volk, das seine Obrigkeit verachtet, verachtet Gott selbst,
der die Obrigkeit eingesetzt hat.
Doch wenn dieselbe Obrigkeit ihr Amt verkehrt,
das Gute verfolgt und das Böse schützt,
dann ist das Volk nicht dazu verpflichtet, ihr im Bösen zu folgen.
Denn Gott hat niemals geboten, dass man ihm durch Sünde dienen solle.
Diejenigen, die Gott fürchten, dürfen kein Werkzeug der Ungerechtigkeit werden,
auch wenn der Befehl von einem König ausgeht.
Denn kein irdischer Herr hat Gewalt über das Gewissen.
Das Volk darf sich jedoch nicht eigenmächtig zum Richter seiner Obrigkeit machen
und ohne Berufung oder Ordnung zur Waffe greifen.
Denn das wäre Anmaßung und Unordnung,
und Unordnung ist selbst eine Form der Gottlosigkeit.
Darum sollen sich die Untertanen in solcher Not
zuerst an ihre rechtmäßigen Räte, Fürsten oder Richter wenden,
die Gott zu ihrem Schutz gesetzt hat.
Sie sollen um Hilfe bitten, Recht fordern,
und wo möglich, durch Fürbitte und Geduld das Unrecht ertragen,
bis Gott selbst die Zeit zur Befreiung schenkt.
Doch wenn die Unterdrückung so groß wird,
dass kein Gesetz mehr gilt, kein Recht mehr besteht
und das Blut der Unschuldigen ungestraft vergossen wird,
dann steht das Volk nicht ohne Trost.
Denn Gott, der gerechte Richter,
hat niemals zugelassen, dass Tyrannei ewig währt.
Er hat stets zu seiner Zeit Männer erweckt,
die dem Unrecht ein Ende machten und das Volk befreiten.
So handelte er durch Mose gegen den Pharao,
durch die Richter Israels gegen die Könige Kanaans,
und in späteren Zeiten durch Fürsten und Räte,
die dem Evangelium Schutz boten, als es verfolgt wurde.
Darum soll das Volk nicht aus Aufruhr handeln,
aber auch nicht aus Feigheit das Unrecht gutheißen.
Es soll wissen, dass Gott selbst sein Rächer ist,
und dass er zu seiner Zeit die Tyrannen stürzt,
die seine Ordnung missbrauchen.
Gleichwohl darf das Volk, wenn die niederen Obrigkeiten im Gehorsam gegen Gott handeln,
ihnen in solchem Widerstand folgen und beistehen;
denn sie handeln nicht gegen, sondern für Gottes Ordnung.
So bleibt bestehen:
Der Gehorsam des Volkes ist Pflicht –
doch nur gegenüber einer Obrigkeit, die Gott dient.
Wird sie zum Feind Gottes,
so ist der Gehorsam keine Tugend mehr,
sondern Schuld.
Das Volk soll sich darum stets prüfen,
ob es Gott oder Menschen dient –
und in dieser Prüfung das Kreuz auf sich nehmen,
denn Christus selbst hat gesagt:
„Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten,
sondern fürchtet den, der Seele und Leib verderben kann.“
📖 Kommentarhinweise:
- Beza unterscheidet drei Stufen des Widerstands:
1️⃣ Gehorsam gegenüber rechtmäßiger Obrigkeit,
2️⃣ passive Geduld bei Missbrauch,
3️⃣ aktive Unterstützung rechtmäßiger Gegenwehr durch niedere Obrigkeiten. - Er verankert Volkswiderstand ausschließlich im Amt der unteren Magistrate – nicht in privater Rebellion.
- Theologisch deckungsgleich mit dem Magdeburger Bekenntnis (VIII, 15 ff.).
- Anthropologische Grundlage: das Volk ist nicht souverän, sondern mitverantwortlich vor Gott.
→ Kein demokratischer Gedanke, sondern eine theonome Verantwortungsordnung.
Kapitel V – Von Gottes Gericht über Tyrannen und vom Trost der Gläubigen
Wie alle Obrigkeit von Gott eingesetzt ist,
so sind auch die Tyrannen seiner Vorsehung nicht entronnen.
Denn kein Mensch steigt auf den Thron ohne Gottes Wissen,
und keiner bleibt dort, wenn Gott ihn stürzt.
Darum sollen die Gläubigen nicht verzagen,
wenn sie unter harter und grausamer Herrschaft leiden.
Gott hat Zeiten und Grenzen gesetzt,
auch für die Macht der Bösen.
Oft lässt er die Tyrannen für eine Weile herrschen,
um das Volk zu prüfen, seine Kirche zu läutern
und die Geduld der Gerechten zu bewähren.
Aber wenn die Maßlosigkeit überhandnimmt,
wenn das Blut der Frommen schreit zum Himmel
und das göttliche Gesetz öffentlich verhöhnt wird,
dann erhebt Gott selbst sein Gericht.
Er gebraucht Menschen als Werkzeuge –
manchmal aus der Ferne, manchmal aus dem eigenen Volk –,
um die Tyrannei zu zerbrechen und das Recht wieder aufzurichten.
Darum sollen die Gläubigen sich hüten,
die Gerechtigkeit in eigene Hände zu nehmen.
Nicht das Schwert der Rache, sondern das Schwert des Amtes
hat Gott zu solchem Werk bestimmt.
Er selbst erwählt die Stunde, da er den Tyrannen richtet,
sei es durch den Rat der niederen Obrigkeiten,
sei es durch den Sturz, den er ohne Menschenhand herbeiführt.
Und wenn er es verzögert,
so nicht, weil er das Unrecht billigt,
sondern weil er das Maß seiner Langmut erfüllen will.
Für das Volk aber bleibt dies der Trost:
Gott vergisst seine Verheißungen nicht.
Er hört das Seufzen der Bedrängten,
und wie er Israel aus Ägypten führte,
so wird er zu seiner Zeit auch heute sein Volk erretten.
Er stürzt Mächtige vom Thron und erhöht die Demütigen.
Kein Reich ist so fest gegründet,
dass es seinem Gericht entgeht.
Denn er allein ist König über Könige,
Richter über alle Richter,
und kein Zepter währt gegen seinen Willen.
Darum ist es besser, Unrecht zu leiden,
als Unrecht zu tun.
Denn wer aus Ungeduld die Hand zur Gewalt erhebt,
verliert leicht das, was er zu retten meint.
Aber wer in der Furcht Gottes standhält,
wird zur rechten Zeit Gerechtigkeit empfangen.
Denn das Reich Christi kommt nicht durch das Schwert,
sondern durch das Wort und durch Geduld.
So sollen die Gläubigen in der Hoffnung ausharren,
die Tyrannen aber wissen:
Gott lässt sich nicht spotten.
Was sie säen, das werden sie ernten.
Schließlich ist das Ziel aller Obrigkeit,
ob hoch oder niedrig,
nicht Herrschaft, sondern Dienst.
Und die höchste Ehre eines Regenten ist,
das Ebenbild Gottes in seinem Volk zu schützen.
Wer das missachtet, wird fallen –
nicht durch Zufall, sondern durch göttliche Gerechtigkeit.
Darum sollen Fürsten sich beugen unter Gottes Gesetz,
das Volk in Geduld auf Gott hoffen,
und alle erkennen:
Nur dort, wo Christus herrscht, ist wahre Freiheit.
Denn sein Joch ist sanft,
und sein Reich hat kein Ende.
📖 Kommentarhinweise:
- Beza schließt mit einer eschatologischen Begründung des Widerstands:
Gott selbst ist der Rächer der Unterdrückten; menschlicher Widerstand bleibt immer sekundär. - Das Kapitel verknüpft politische Ethik mit Heilsgewissheit:
Geduld im Leiden ist nicht Kapitulation, sondern Vertrauen auf Gottes Gericht. - Sprachlich und theologisch schließt das Werk an das Magdeburger Bekenntnis (1550, Kap. XII – „Trost der Kirchen unter dem Kreuz“) an.
- Schlüsselvers: Römer 12 19 – „Die Rache ist mein, spricht der Herr.“
- Beza positioniert sich deutlich zwischen Anarchie und blinder Unterwerfung:
Kein Aufruhr, aber auch kein stilles Dulden des Bösen.