Buch I, Kapitel 1 der Politica Methodice Digesta von Johannes Althusius (1614) –
streng textnah, klar gegliedert, ohne Kommentar oder Zusatz.
Einleitung
Johannes Althusius – Politik als Ordnung der Freiheit
Mit der Politica Methodice Digesta legte Johannes Althusius (1557–1638) im Jahr 1603 – in überarbeiteter Form 1610 und 1614 – das wohl umfassendste politische Werk der reformierten Tradition vor.
Es ist die erste systematische Darstellung einer bundes- und freiheitsorientierten politischen Ordnung, die ihre Wurzeln ausdrücklich im göttlichen Recht, in der natürlichen Gemeinschaft des Menschen und in der Verantwortung des Einzelnen vor Gott sieht.
Althusius begreift Politik nicht als Herrschaftskunst, sondern als Ordnung gemeinschaftlichen Lebens.
Im Mittelpunkt steht die Symbiose (symbiosis) – das freiwillige, gegenseitige Miteinander, durch das Menschen Rechte, Pflichten und Güter teilen.
Aus dieser natürlichen Gemeinschaft erwachsen alle weiteren Formen menschlicher Verbindung: Familie, Zunft, Stadt, Land und schließlich das Gemeinwesen als Ganzes.
In dieser Sicht ist die Obrigkeit kein Ursprung, sondern ein Ergebnis gesellschaftlicher Ordnung.
Sie erhält ihre Autorität nicht von oben durch göttliche Vorrechte, sondern von unten durch den Bund freier Menschen, die sie zum Schutz von Recht und Frieden einsetzen.
So entsteht eine politische Theologie, in der Gott der höchste Gesetzgeber, das Gesetz die Grenze der Macht und die Freiheit die Frucht der Gerechtigkeit ist.
Die Politica steht damit in deutlicher Kontinuität zur reformatorischen Widerstandslehre – von Genf bis Magdeburg – und bildet das theoretische Fundament jener freiheitlichen Ordnung, die später in den westlichen Föderalismus, in das Recht auf Selbstregierung und in die Idee begrenzter Herrschaft einfloss.
Althusius’ Denken verbindet Theologie und Politik zu einer Einheit, die bis heute herausfordert:
Der Staat soll nicht herrschen, sondern dienen – und zwar im Rahmen göttlicher und natürlicher Ordnung.
Diese Übersetzung folgt der Herborner Ausgabe von 1614, der letzten und vollständigsten Fassung des Werkes.
Sie bleibt nah am lateinischen Original, verzichtet auf akademische Anmerkungen und will den Text so zugänglich machen, wie Althusius ihn selbst verstand: als Handbuch für Bürger, Magistrate, Lehrer und Theologen, die wissen wollen, wie eine freie, gottgeordnete Gesellschaft bestehen kann.
Buch I
Kapitel 1 – Über die Natur der Politik
Politik ist die Kunst, die menschliche Gemeinschaft zu begründen, zu erhalten und zu leiten.
Sie besteht darin, dass Menschen, die in gegenseitiger Gemeinschaft leben, ihre gemeinsamen Rechte und Güter ordnen, damit ihr Zusammenleben gut und nützlich sei.
Die Grundlage der Politik ist die Symbiose, das heißt das Zusammenleben der Menschen, in dem sie einander zum Nutzen verbunden sind und die Güter und Pflichten des Lebens miteinander teilen.
Dieses Zusammenleben ist den Menschen von Natur gegeben. Denn kein Mensch ist so selbstgenügsam, dass er sich allein erhalten könnte; vielmehr bedarf jeder des anderen, um in einem vollständigen und friedlichen Leben bestehen zu können.
Daher entstehen zwischen den Menschen Verbände und Gemeinschaften, in denen sie die Dinge, die für das Leben notwendig und nützlich sind, miteinander teilen, und sich gegenseitig in Aufgaben und Pflichten unterstützen.
Diese Gemeinschaft wird durch Rechte und Gesetze geordnet, durch die das Zusammenleben gesichert und die wechselseitigen Beziehungen geregelt werden.
Das Ziel der Politik ist das gemeinsame Wohl. Dieses besteht darin, dass jeder in der Gemeinschaft seine Rechte und Pflichten erfüllt, Frieden und Ordnung gewahrt bleiben, und das Leben aller durch gerechte Gesetze geschützt wird.
Politik umfasst also alle Mittel, durch die die menschliche Gesellschaft gestärkt, die Eintracht bewahrt und das Wohl aller gefördert wird.
Sie beginnt im kleinsten Verband, dem Haus, wächst durch die Vereinigung vieler Familien zu Städten und Ländern heran und erreicht ihre Vollendung in der allgemeinen Gemeinschaft, in der Völker und Staaten miteinander in Ordnung und Frieden leben.
Kapitel 2 – Über die Arten der Gemeinschaften und Verbände
Die Gemeinschaft der Menschen zeigt sich in verschiedenen Formen, je nachdem, wie eng und auf welche Weise die Menschen miteinander verbunden sind.
Es gibt zunächst die natürlichen Gemeinschaften, die von Natur selbst hervorgebracht sind – wie die Ehe und das Haus, in denen Mann und Frau, Eltern und Kinder, Herr und Diener miteinander verbunden sind.
Diese Gemeinschaften entstehen aus der natürlichen Notwendigkeit des Lebens und bilden den Ursprung aller übrigen Verbände.
Darüber hinaus gibt es freiwillige Gemeinschaften, die aus menschlicher Übereinkunft gebildet werden.
In ihnen verbinden sich Menschen, um gemeinsame Aufgaben zu erfüllen, sei es in Handwerk und Handel, in der Bildung, im Glauben oder in der Verwaltung öffentlicher Angelegenheiten.
Aus solchen freiwilligen Zusammenschlüssen erwachsen größere Körperschaften: Städte, Provinzen, ganze Völker und schließlich die umfassende bürgerliche Gemeinschaft, die man das Gemeinwesen oder den Staat nennt.
Jede dieser Gemeinschaften hat ihre eigene Ordnung, ihr eigenes Recht und ihre eigene Aufgabe.
Die kleineren Verbände bestehen um der größeren willen, und die größeren sollen die kleineren schützen und ergänzen.
So ist das Ganze aufeinander bezogen wie Glieder eines Körpers: keines ist selbständig ohne das andere, und doch behält jedes seine eigene Gestalt und Aufgabe.
Das Band, das alle diese Gemeinschaften zusammenhält, ist die Wechselgabe von Rechten und Pflichten, durch die jeder dem anderen dient und zugleich selbst Anteil am Gemeinsamen hat.
Wo diese gegenseitige Bindung zerbricht, löst sich auch die Gemeinschaft auf, und Unordnung tritt an die Stelle der Gerechtigkeit.
Darum besteht die Aufgabe der Politik darin, jede dieser Gemeinschaften in rechter Ordnung zu halten, ihr Zusammenwirken zu fördern und den Frieden zwischen ihnen zu bewahren.
Kapitel 3 – Über die Entstehung und den Zweck der politischen Ordnung
Die politische Ordnung entsteht aus der natürlichen Gemeinschaft der Menschen, wenn diese sich vereinen, um ihr gemeinsames Leben sicher und geordnet zu gestalten.
Denn sobald mehrere Familien oder Häuser in engerer Gemeinschaft miteinander leben, müssen sie bestimmte Regeln und Ordnungen festsetzen, damit Frieden, Gerechtigkeit und gegenseitiger Nutzen bewahrt bleiben.
Aus dieser Einsicht wächst das Bedürfnis nach öffentlicher Ordnung, nach einem verbindlichen Recht und nach einer gemeinsamen Leitung, die nicht das Eigentum eines Einzelnen ist, sondern dem Wohl aller dient.
So entsteht das Gemeinwesen, das aus vielen Verbänden zusammengesetzt ist und durch Gesetze und Rechte zusammengehalten wird.
Es ist kein Werk des Zufalls, sondern Ausdruck menschlicher Vernunft und göttlicher Ordnung, die den Menschen dazu bestimmt, nicht allein, sondern in geordnetem Zusammenleben zu bestehen.
Der Zweck dieser Ordnung ist dreifach:
Erstens, das äußere Leben der Menschen zu schützen, damit jeder in Sicherheit und Frieden leben kann;
zweitens, das gerechte und nützliche Zusammenwirken aller zu fördern;
drittens, die Tugend und Frömmigkeit zu bewahren, ohne die keine Gemeinschaft dauerhaft bestehen kann.
Damit die politische Ordnung fest bleibt, muss sie auf gegenseitigem Vertrauen, Treue und Gehorsam beruhen – aber dieser Gehorsam gilt der Ordnung selbst, nicht der Willkür eines Menschen.
Denn die Obrigkeit ist nicht Herr über die Gemeinschaft, sondern ihr Diener; sie steht in Verantwortung vor Gott und dem Volk, das sie einsetzt.
Darum gehört es zur Aufgabe der Politik, dass die Rechte und Pflichten von Regierenden und Regierten bestimmt, geschützt und in rechter Weise ausgeübt werden.
So entsteht ein gerechter Bund, in dem das Recht den Mächtigen bindet, und die Freiheit der Bürger nicht zerstört, sondern gesichert wird.
Das ist der wahre Sinn der politischen Ordnung: dass Menschen in Frieden, Gerechtigkeit und gegenseitiger Hilfe leben – nicht zur Herrschaft übereinander, sondern zum gemeinsamen Dienst für das Gute.
Kapitel 4 – Über die Teile der politischen Gemeinschaft und ihre Verbindung
Die politische Gemeinschaft besteht aus vielen Teilen, die miteinander verbunden sind und ein geordnetes Ganzes bilden.
Diese Teile sind die einzelnen Verbände, aus denen das Gemeinwesen zusammengesetzt ist – Hausgemeinschaften, Zünfte und Kollegien, Städte, Provinzen und schließlich das Volk als Ganzes.
Jeder dieser Verbände hat seine eigene Aufgabe, und alle zusammen tragen sie das Gemeinwesen.
Denn wie der menschliche Körper aus vielen Gliedern besteht, die einander dienen, so ist auch die politische Gemeinschaft ein lebendiger Organismus, in dem kein Teil ohne den anderen bestehen kann.
Das Haus ist die erste und kleinste Gemeinschaft, aus der alle übrigen erwachsen.
Daraus entstehen die größeren Gemeinschaften, wenn mehrere Häuser sich verbinden, um gemeinsame Aufgaben zu erfüllen, etwa im Handel, in der Verteidigung oder in der Verwaltung öffentlicher Dinge.
Auf diese Weise entsteht aus der Verbindung vieler kleiner Verbände eine größere Einheit, die Stadt oder das Land, und aus deren Zusammenschluss schließlich das ganze Volk.
Damit diese Ordnung Bestand hat, müssen alle Teile in einem rechten Verhältnis zueinander stehen.
Keiner darf über das Maß hinauswachsen, keiner darf die Ordnung der anderen zerstören.
Die höheren Gemeinschaften sollen die niedrigeren nicht verschlingen, sondern schützen und ergänzen; die niedrigeren sollen den höheren mit Rat, Dienst und Treue verbunden bleiben.
Die Verbindung der Teile geschieht durch das Recht, durch gemeinsame Beschlüsse und durch die Pflicht, das Wohl des Ganzen zu fördern.
Wenn aber ein Teil sich vom Ganzen trennt oder nur sich selbst sucht, wird die Einheit zerstört, und die politische Ordnung zerfällt.
Darum ist es die Hauptaufgabe der Politik, das rechte Verhältnis der Teile zueinander zu bewahren, damit aus der Vielheit eine geordnete Gemeinschaft entsteht, in der Frieden und Gerechtigkeit wohnen.
Kapitel 5 – Über die Grundlagen der politischen Gesellschaft und die Art ihrer Bindung
Die Grundlage jeder politischen Gemeinschaft ist die Übereinkunft freier Menschen, die sich zu gemeinsamem Leben, Schutz und Ordnung verbinden.
Diese Übereinkunft ist kein Zwang, sondern Ausdruck vernünftiger Einsicht und gegenseitiger Verpflichtung.
Denn niemand kann ohne Einwilligung Teil einer gerechten Gemeinschaft sein, und keine Gemeinschaft kann ohne Zustimmung und Treue ihrer Glieder bestehen.
Darum ist die politische Ordnung von Natur her vertraglich: Sie beruht auf einem gegenseitigen Bund, in dem jeder dem anderen sein Recht gibt und zugleich das Recht des anderen anerkennt.
So entsteht eine geregelte Gemeinschaft, in der alle durch Recht gebunden sind und keiner über das Recht steht.
Diese Bindung wird durch Gesetze, Eide und öffentliche Verpflichtungen bestätigt.
Sie verpflichtet den Bürger zur Treue gegenüber dem Gemeinwesen und die Obrigkeit zur Sorge für Recht und Gerechtigkeit.
Wo eine Seite diesen Bund bricht, verliert die Gemeinschaft ihren Halt, und Unrecht tritt an die Stelle der Ordnung.
Das Band dieser Gemeinschaft ist die gegenseitige Achtung und die Bereitschaft, das eigene Wohl dem gemeinsamen unterzuordnen, wo es die Gerechtigkeit fordert.
Denn das Gemeinwohl ist nicht die Summe privater Vorteile, sondern das geordnete Miteinander, in dem jeder seinen Teil beiträgt, damit das Ganze bestehen kann.
Diese Ordnung ist nicht menschliche Willkür, sondern Ausdruck der göttlichen Schöpfung, durch die der Mensch zur Gemeinschaft bestimmt ist.
Wer sie zerstört, greift die Grundlage des menschlichen Lebens an.
Darum soll die Politik alles tun, um diesen Bund zu wahren, zu erneuern und zu schützen – denn wo er bricht, zerfällt die Freiheit, und mit ihr das Recht.
Kapitel 6 – Über den Ursprung der Obrigkeit und ihre Aufgabe in der Gemeinschaft
Die Obrigkeit entsteht aus der Gemeinschaft selbst.
Denn wenn viele Menschen in geordneter Weise zusammenleben wollen, bedarf es einer Leitung, die das gemeinsame Recht wahrt, Streit schlichtet und für den Bestand der Ordnung sorgt.
Diese Leitung wird von der Gemeinschaft selbst eingesetzt – nicht um zu herrschen, sondern um zu dienen.
Die Obrigkeit empfängt ihre Macht nicht aus sich selbst, sondern aus dem Willen der Gemeinschaft, die sie mit der Sorge für Recht und Frieden betraut.
Sie ist also nicht Herrin, sondern Hüterin der Gesetze; nicht Eigentümerin des Gemeinwesens, sondern dessen Treuhänderin.
Darum ist ihre Gewalt an Recht und Eid gebunden.
Sie darf nichts befehlen, was gegen Gott, das Gesetz oder die gerechte Ordnung der Gemeinschaft steht.
Wo sie dies tut, verliert sie die Autorität, die ihr nur verliehen ist, um das Gute zu schützen und das Böse zu strafen.
Die erste Pflicht der Obrigkeit ist, das Recht aufrechtzuerhalten, damit niemand dem anderen Gewalt antut und das Gemeinwohl unversehrt bleibe.
Die zweite ist, den Frieden zu sichern, indem sie Zwietracht verhindert und Streit gerecht beendet.
Die dritte ist, die Tugend zu fördern und alles zu unterbinden, was die Ordnung des sittlichen und öffentlichen Lebens zerstört.
Diese Aufgabe kann nur erfüllt werden, wenn die Obrigkeit selbst gerecht, maßvoll und dem Gesetz unterworfen ist.
Denn sie steht nicht über der Gemeinschaft, sondern in ihr – wie der Kopf im Körper, der das Ganze leitet, ohne sich von ihm zu trennen.
Darum schuldet der Bürger Gehorsam, solange die Obrigkeit im Rahmen des Rechts handelt.
Doch dieser Gehorsam gilt nicht der Person, sondern der rechtmäßigen Ordnung, die Gott selbst gestiftet hat, damit die Menschen in Frieden und Freiheit leben.
Kapitel 7 – Über die Pflichten der Bürger gegenüber der Obrigkeit und der Gemeinschaft
Wie die Obrigkeit Pflichten gegenüber dem Volk hat, so haben auch die Bürger Pflichten gegenüber der Obrigkeit und der Gemeinschaft, deren Glieder sie sind.
Denn die politische Ordnung besteht nur, wenn beide Seiten – Regierende und Regierte – ihre Aufgaben in Treue erfüllen.
Die erste Pflicht des Bürgers ist Treue: dass er die Gesetze achtet, die Ordnung bewahrt und dem Gemeinwesen mit redlichem Sinn dient.
Denn wer die Gesetze verachtet oder den Frieden stört, schadet nicht nur der Obrigkeit, sondern allen, die mit ihm in der Gemeinschaft leben.
Die zweite Pflicht ist Gehorsam gegenüber rechtmäßiger Autorität.
Dieser Gehorsam gründet nicht in Furcht, sondern in Einsicht und Zustimmung, weil der Bürger erkennt, dass die Obrigkeit zur Wahrung des Rechts eingesetzt ist.
Darum soll er ihre gerechten Befehle befolgen und sich dem Urteil unterwerfen, das dem Gesetz entspricht.
Die dritte Pflicht ist Mitwirkung am Gemeinwohl.
Jeder Bürger soll nach seiner Kraft und seinem Stand dazu beitragen, dass die Gemeinschaft gedeiht – durch Arbeit, Rat, Wehrdienst, Steuer oder Dienstleistung.
Denn das Gemeinwesen lebt nicht von der Obrigkeit allein, sondern von der tätigen Treue aller seiner Glieder.
Die vierte Pflicht ist Verantwortung: dass der Bürger das Gemeinwesen nicht durch Gleichgültigkeit, Trägheit oder Eigennutz gefährdet.
Er soll Unrecht nicht decken, sondern das Recht schützen; er soll Frieden suchen, nicht Zwietracht; er soll die Tugend fördern, nicht das Laster nähren.
Doch diese Pflichten finden ihre Grenze dort, wo die Obrigkeit das Recht verlässt und gegen Gott oder Gewissen handelt.
Denn der Bürger ist vor allem Gott verpflichtet, der über allen menschlichen Ordnungen steht.
Darum bleibt der wahre Gehorsam stets an Gerechtigkeit und Wahrheit gebunden.
So entsteht ein Verhältnis gegenseitiger Treue: Die Obrigkeit dient der Gerechtigkeit, und der Bürger dient der Ordnung.
Nur in dieser Verbindung kann die Gemeinschaft bestehen – als Bund freier Menschen, die in Recht und Frieden zusammenleben.
Kapitel 8 – Über die Grenzen des Gehorsams und das Recht des Widerstands
Der Gehorsam, den die Bürger der Obrigkeit schulden, ist nicht grenzenlos.
Er gilt nur, solange die Obrigkeit im Rahmen von Recht und göttlicher Ordnung handelt.
Denn die Macht der Obrigkeit ist nicht eigenständig, sondern abgeleitet; sie ist an das Gesetz gebunden, dem sie selbst untersteht.
Darum darf der Bürger das nicht tun, was wider Gott, wider das Gewissen oder wider das Naturrecht ist, auch wenn es von der Obrigkeit befohlen wird.
Denn Gott ist der höchste Herr, und kein menschliches Gebot darf über seinem Wort stehen.
Wer also gegen Gott gehorcht, gehorcht in Wahrheit nicht der Obrigkeit, sondern der Sünde.
Wenn die Obrigkeit das Recht verlässt, Gewalt statt Gerechtigkeit übt, das Volk unterdrückt oder den Glauben zerstört, verliert sie den Anspruch auf Gehorsam.
In einem solchen Fall darf der Bürger nicht mitwirken am Unrecht, sondern muss sich weigern, das Böse zu vollbringen.
Diese Verweigerung ist kein Aufruhr, sondern ein Akt des rechtmäßigen Gehorsams gegenüber Gott, der das Unrecht nicht befiehlt.
Wo aber die Unterdrückung so weit geht, dass das Leben, der Glaube und die Freiheit der Menschen vernichtet werden, da steht der Gemeinschaft das Recht zu, sich zu verteidigen.
Denn wie das einzelne Leben gegen ungerechten Angriff geschützt werden darf, so auch die gemeinsame Ordnung, die Gott zum Erhalt des menschlichen Lebens gestiftet hat.
Doch dieses Widerstandsrecht ist gebunden an Ordnung und Maß.
Es darf nicht aus Zorn, Ehrgeiz oder Eigenwille entstehen, sondern nur aus Notwehr und Pflicht gegenüber Gott und dem Nächsten.
Es steht nicht dem Einzelnen zu, sondern den rechtmäßigen Vertretern der Gemeinschaft, die im Namen des Volkes und unter Berufung auf das Recht handeln.
So bleibt auch der Widerstand eine Form des Gehorsams – nicht gegen die Ordnung, sondern zu ihrer Wiederherstellung.
Denn die höchste Aufgabe der Politik ist, dass Recht und Gerechtigkeit herrschen, und dass niemand, auch nicht die Obrigkeit, über dem Gesetz steht.
Kapitel 9 – Über die göttliche Stiftung der Obrigkeit und ihre Grenze im menschlichen Recht
Die Obrigkeit ist in ihrem Ursprung eine Ordnung Gottes.
Denn Gott hat den Menschen zur Gemeinschaft geschaffen und ihr Bestand erfordert Leitung, Recht und Ordnung.
Darum heißt es: „Es ist keine Obrigkeit außer von Gott; die bestehende ist von Gott verordnet.“
Doch was von Gott stammt, darf nicht mit menschlicher Willkür verwechselt werden.
Gott ist der Urheber der Ordnung, nicht jedes einzelnen Herrschers.
Die Obrigkeit als Amt ist göttlich, ihre Inhaber aber sind Menschen, die fehlbar sind und der Gerechtigkeit unterstehen.
Darum darf man zwischen der göttlichen Stiftung der Gewalt und ihrem menschlichen Gebrauch unterscheiden.
Die Ordnung bleibt heilig, auch wenn die, die sie ausüben, irren oder sündigen.
Der Ursprung der Obrigkeit liegt in der Zustimmung der Gemeinschaft.
Denn Gott verleiht die Gewalt nicht unmittelbar einzelnen Menschen, sondern er hat die Gemeinschaft dazu bestimmt, sich Leiter zu wählen, die das Recht verwalten und den Frieden sichern.
So ist die göttliche Stiftung durch menschliche Zustimmung verwirklicht – der Ursprung von oben, die Bestimmung von unten.
Daraus folgt, dass die Obrigkeit zugleich göttlich im Ursprung und menschlich in der Ausübung ist.
Göttlich, weil sie der göttlichen Ordnung dient; menschlich, weil sie durch menschliche Wahl, Zustimmung und Bindung an Gesetze besteht.
Darum darf sie weder göttliche Allmacht beanspruchen noch ohne menschliches Recht handeln.
Ihre Grenze ist das Gesetz, durch das sie eingesetzt wurde.
Denn die Gewalt, die das Recht überschreitet, verliert ihren rechtmäßigen Charakter.
Wo die Obrigkeit gegen die göttliche oder natürliche Ordnung handelt, da widersetzt sie sich ihrem eigenen Ursprung und wird zum Unrecht.
So bleibt die Obrigkeit Dienerin Gottes, solange sie Recht und Gerechtigkeit übt;
aber sie hört auf, Gottes Werkzeug zu sein, wenn sie zum Werkzeug des Unrechts wird.
Darum schuldet der Mensch Gehorsam nicht der Macht als solcher, sondern der gerechten Ordnung, in der Gott selbst regiert.
Kapitel 10 – Über das Verhältnis zwischen göttlichem, natürlichem und bürgerlichem Recht
Das göttliche, das natürliche und das bürgerliche Recht stehen in einer geordneten Verbindung zueinander.
Sie widersprechen sich nicht, sondern dienen demselben Ziel – dem Erhalt des Lebens, der Gerechtigkeit und der Ordnung unter den Menschen.
Das göttliche Recht ist das, was Gott selbst offenbart hat.
Es ist vollkommen, unveränderlich und bindet das Gewissen unmittelbar.
Es zeigt dem Menschen, was gut und böse ist, und legt den Maßstab für jedes menschliche Gesetz fest.
Kein menschliches Recht darf diesem göttlichen Recht widersprechen, und kein Gebot eines Herrschers kann den Menschen verpflichten, etwas zu tun, was Gott verbietet.
Das natürliche Recht ist jenes, das aus der Vernunft und der Natur des Menschen erkannt wird.
Es ist in das Herz jedes Menschen geschrieben und lehrt, dass man das Gute tun und das Böse meiden soll.
Es gebietet, dass man gerecht, maßvoll, treu und barmherzig sei, dass niemand einem anderen schadet und dass jeder das Seine behält.
Dieses Recht gilt allen Völkern, zu allen Zeiten, auch ohne besondere Offenbarung.
Das bürgerliche Recht schließlich ist die Ordnung, die aus dem göttlichen und natürlichen Recht abgeleitet wird, um das Zusammenleben in einer bestimmten Gemeinschaft zu regeln.
Es bestimmt die Formen, in denen Eigentum, Vertrag, Ehe, Strafe, Handel und Gerichtswesen gestaltet werden.
Es kann in Einzelheiten verschieden sein, je nach Land und Zeit, aber es darf niemals den Grundsätzen des göttlichen und natürlichen Rechts widersprechen.
So ist das göttliche Recht die Quelle, das natürliche Recht der Spiegel, und das bürgerliche Recht die Anwendung dieser Ordnung auf das öffentliche Leben.
Wo eines dieser Rechte von den anderen getrennt wird, da verliert auch das bürgerliche Gesetz seine Gültigkeit.
Denn kein Gesetz kann gerecht sein, das nicht mit der Wahrheit Gottes und der Natur des Menschen übereinstimmt.
Darum ist es Aufgabe der Politik, diese drei Ordnungen zu verbinden:
das göttliche Recht als oberste Richtschnur,
das natürliche Recht als allgemeine Vernunftordnung,
und das bürgerliche Recht als praktische Ausgestaltung des Guten.
Nur so bleibt die Gesellschaft fest gegründet – auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden.
Kapitel 11 – Über das Verhältnis der Religion zur politischen Ordnung
Religion und Politik stehen in enger Verbindung, doch jede hat ihren eigenen Bereich und Auftrag.
Beide stammen von Gott, beide dienen dem Wohl der Menschen, aber auf verschiedene Weise:
die Religion ordnet das Verhältnis des Menschen zu Gott, die Politik das Verhältnis der Menschen untereinander.
Die Religion lehrt, wer Gott ist, was er von uns fordert und wie der Mensch in rechter Beziehung zu ihm lebt.
Sie richtet das Gewissen, reinigt das Herz und schafft jene innere Ordnung, ohne die keine äußere Ordnung Bestand hat.
Denn die Gesetze mögen den Körper zwingen, aber nur die Frömmigkeit bindet das Herz.
Die Politik dagegen sorgt für das äußere Leben, für Frieden, Sicherheit und Gerechtigkeit unter den Menschen.
Sie kann die Frömmigkeit nicht schaffen, wohl aber den Raum bewahren, in dem sie gelebt werden kann.
Darum soll die Obrigkeit die wahre Religion schützen, aber sie darf nicht selbst zum Herrn über das Gewissen werden.
Die rechte Verbindung von Religion und Politik besteht also darin, dass die Obrigkeit Gott als höchsten Gesetzgeber anerkennt, seine Gebote achtet und die öffentliche Ehre Gottes nicht duldet, dass sie geschändet werde;
dass sie zugleich aber den Dienst an Gott nicht erzwingt, sondern schützt, damit jeder Gott nach seinem Wort in Freiheit dienen kann.
Wo Religion und Politik getrennt werden, verfällt das Gemeinwesen der Zügellosigkeit;
wo sie vermischt werden, gerät die Frömmigkeit unter menschliche Herrschaft.
Darum muss die Politik das Äußere regeln, ohne das Innere zu zerstören, und die Religion das Innere leiten, ohne das Äußere zu usurpieren.
So wird das Gemeinwesen fest gegründet, wenn die Religion den Geist der Menschen formt und die Politik die äußere Ordnung wahrt –
damit Gott geehrt werde, das Recht bestehe und die Menschen in Frieden leben.
Kapitel 12 – Über die Pflichten der Obrigkeit gegenüber der wahren Religion
Da die Obrigkeit von Gott eingesetzt ist, um Recht und Ordnung zu schützen, steht sie auch in der Pflicht, die wahre Religion zu achten und zu fördern.
Denn keine Gemeinschaft kann bestehen, wenn sie Gott verachtet, und keine Regierung kann gerecht sein, wenn sie die Quelle der Gerechtigkeit verneint.
Die erste Pflicht der Obrigkeit ist daher, Gott als höchsten Herrn zu ehren, seine Gebote zu achten und dafür zu sorgen, dass sein Name im Volk nicht gelästert werde.
Sie soll die öffentliche Gottesverehrung schützen, die Predigt des Wortes ermöglichen und den Dienst der Kirche in Frieden bewahren.
Die zweite Pflicht ist, die Wahrheit zu unterscheiden von der Lüge und die Kirche vor falscher Lehre, Götzendienst und Verführung zu schützen.
Denn wie es im Gemeinwesen Gesetze gegen Unrecht und Betrug gibt, so darf auch die Verderbung der Seele nicht ungehindert verbreitet werden.
Doch soll dies nicht durch Gewalt des Schwertes geschehen, sondern durch gerechte Ordnung, Rat und Zucht, wie es der Beruf der Obrigkeit erlaubt.
Die dritte Pflicht ist, dass die Obrigkeit den Dienern der Kirche Recht und Schutz gewährt, sie aber zugleich zur Treue gegenüber ihrer Berufung anhält.
Denn weder die Kirche steht über der Obrigkeit noch die Obrigkeit über der Kirche; beide sind Diener Gottes in verschiedenen Bereichen und sollen einander im Guten unterstützen.
Darum soll die Obrigkeit nicht über das Gewissen herrschen, sondern es schützen.
Sie darf den Glauben nicht erzwingen, sondern nur die äußere Ordnung bewahren, damit das Evangelium ungehindert verkündet und das Leben nach Gottes Geboten gestaltet werden kann.
So erfüllt die Obrigkeit ihre Aufgabe, wenn sie Gott ehrt, die Kirche schützt und die Menschen zur Frömmigkeit anleitet, nicht durch Zwang, sondern durch gutes Beispiel, gerechtes Regiment und Treue zum göttlichen Wort.
Denn wo die Obrigkeit selbst fromm ist, wird auch das Volk zur Frömmigkeit ermutigt, und das Gemeinwesen bleibt in Frieden und Segen bestehen.
Kapitel 13 – Über das Verhältnis zwischen Kirche und Staat
Kirche und Staat sind zwei verschiedene, doch miteinander verbundene Ordnungen, die Gott zum Wohl des Menschen eingesetzt hat.
Beide haben ihren Ursprung in ihm, beide dienen seinem Willen, doch auf unterschiedliche Weise:
die Kirche regiert durch das Wort, der Staat durch das Schwert.
Die Kirche hat die Aufgabe, das Evangelium zu verkünden, die Sakramente zu verwalten und die Menschen im Glauben zu stärken.
Ihr Bereich ist das geistliche Leben, das Gewissen, die Lehre und der Gottesdienst.
Sie leitet die Herzen zur Erkenntnis Gottes und zur Gerechtigkeit, die aus dem Glauben kommt.
Der Staat dagegen sorgt für die äußere Ordnung, für Recht, Sicherheit und Frieden.
Er ist berufen, das Böse zu strafen, das Gute zu schützen und die öffentliche Gerechtigkeit zu wahren.
Seine Gewalt betrifft nicht das Innere des Menschen, sondern die äußeren Handlungen und Beziehungen.
Diese beiden Ordnungen dürfen nicht verwechselt werden.
Wenn die Kirche sich anmaßt, über weltliche Dinge zu herrschen, verlässt sie ihre Berufung.
Und wenn der Staat in den Dienst der Kirche eingreift, um über Glauben und Gewissen zu bestimmen, überschreitet er seine Grenze.
Doch beide sollen einander unterstützen, nicht bekämpfen.
Die Kirche soll die Obrigkeit ermahnen, gerecht zu regieren, und für sie beten, damit Gott ihr Weisheit und Einsicht verleihe.
Die Obrigkeit wiederum soll die Kirche schützen, ihren Dienst ermöglichen und ihre Freiheit achten.
So entsteht eine heilige Verbindung von geistlicher und weltlicher Ordnung:
die Kirche lehrt das Recht und erzieht die Herzen zur Gerechtigkeit,
der Staat bewahrt den äußeren Frieden und schützt die Freiheit der Kirche.
Wenn beide in ihrer Ordnung bleiben und doch zusammenwirken, wird das Gemeinwesen stark, das Volk gesegnet und Gott in beidem geehrt –
im Glauben der Kirche und in der Gerechtigkeit des Staates.
Kapitel 14 – Über die Pflichten der Kirche gegenüber der Obrigkeit und dem Gemeinwesen
Wie die Obrigkeit Pflichten gegenüber der Kirche hat, so hat auch die Kirche Pflichten gegenüber der Obrigkeit und dem Gemeinwesen.
Denn beide Ordnungen stammen von Gott, und keine kann ohne die andere in rechter Weise bestehen.
Die erste Pflicht der Kirche ist das Gebet für die Obrigkeit.
Sie soll beständig für Könige, Fürsten und alle, die in Verantwortung stehen, bitten, damit sie Weisheit empfangen, gerecht regieren und Frieden bewahren.
Denn durch das Gebet der Kirche erhält Gott das Gemeinwesen, stärkt die Regierenden und wendet Unheil ab.
Die zweite Pflicht ist die Ermahnung.
Die Kirche soll der Obrigkeit das Wort Gottes verkündigen, sie an ihre Verantwortung erinnern und sie mahnen, wenn sie vom Recht abweicht.
Doch soll sie dies in Demut und Ehrfurcht tun, nicht als Herrscherin, sondern als Prophetin, die im Namen Gottes spricht.
Denn es ist besser, dass ein Fürst durch das Wort zur Umkehr kommt, als dass er durch das Schwert fällt.
Die dritte Pflicht ist das Beispiel.
Die Kirche soll in ihrer eigenen Ordnung zeigen, wie göttliche und menschliche Pflichten miteinander verbunden sind.
Ihre Diener sollen treu, friedliebend und gerecht sein, damit sie der Obrigkeit kein Ärgernis geben, sondern durch ihren Wandel beweisen, dass Frömmigkeit und Gehorsam einander nicht widersprechen.
Die vierte Pflicht ist die Lehre.
Sie soll das Volk lehren, Gott zu ehren, der Obrigkeit zu gehorchen und das Gemeinwesen zu lieben.
Denn die beste Stütze einer Regierung ist ein Volk, das in Wahrheit und Gerechtigkeit unterwiesen ist.
Die Kirche darf daher keine Unruhe stiften, keine Partei ergreifen und keine weltlichen Ziele verfolgen.
Ihre Aufgabe ist, das Gewissen zu formen, nicht den Staat zu lenken.
Doch wenn die Obrigkeit Unrecht tut, soll sie nicht schweigen, sondern in rechter Weise das Wort erheben – nicht aus Zorn, sondern aus Liebe zur Wahrheit.
So dient die Kirche der Obrigkeit nicht mit Macht, sondern mit Geist,
nicht durch Befehle, sondern durch das Wort, das richtet und heilt.
Und wo Kirche und Obrigkeit in dieser Ordnung bleiben, da herrschen Friede, Gerechtigkeit und göttlicher Segen über das Land.
Kapitel 15 – Über die Gefahr des Machtmissbrauchs in Kirche und Staat
Jede von Gott eingesetzte Ordnung kann durch menschliche Begierde und Stolz verdorben werden.
So sind auch Kirche und Staat gefährdet, wenn sie ihre Grenzen überschreiten und die ihnen verliehene Macht missbrauchen.
Der Missbrauch der weltlichen Macht zeigt sich, wenn die Obrigkeit nicht mehr Dienerin, sondern Herrin des Rechts sein will;
wenn sie Gesetze nach eigenem Willen beugt, das Volk unterdrückt, die Freiheit raubt oder den Glauben bevormundet.
Dann wird aus dem Wächter des Friedens ein Tyrann, der das göttliche Recht verachtet und die Ordnung Gottes zerstört.
Ebenso entsteht Missbrauch in der geistlichen Macht, wenn die Kirche sich über den Staat erhebt, irdische Herrschaft beansprucht und das Gewissen durch menschliche Satzungen bindet.
Wenn sie nicht mehr durch das Wort, sondern durch Drohung, Reichtum oder Gewalt regiert, verliert sie ihre geistliche Würde und wird zum Werkzeug irdischer Begierde.
Beide Arten des Machtmissbrauchs entspringen derselben Wurzel:
dem Vergessen, dass alle Autorität nur Treuhand ist, nicht Eigentum.
Weder Fürsten noch Priester sind Herren der Menschen, sondern Diener Gottes zu ihrem Wohl.
Wer diese Wahrheit verachtet, erhebt sich gegen den, von dem alle Macht stammt.
Darum muss jede rechtmäßige Ordnung sich selbst prüfen und begrenzen.
Der Staat darf nicht herrschen über das Gewissen, und die Kirche darf nicht herrschen über das Schwert.
Die Obrigkeit soll die Religion schützen, nicht leiten; die Kirche soll das Gewissen lehren, nicht erzwingen.
Wo aber beide ihre Grenzen achten, entsteht wahre Freiheit:
eine Obrigkeit, die gerecht regiert, und eine Kirche, die in Wahrheit dient.
Dann herrscht nicht der Mensch über den Menschen, sondern Gott über alle –
durch Recht, Liebe und gegenseitige Achtung.
Kapitel 16 – Über die Eintracht zwischen Kirche und Staat als Grundlage eines gerechten Gemeinwesens
Die wahre Festigkeit eines Gemeinwesens beruht auf der Eintracht zwischen Kirche und Staat.
Denn wenn Geistliches und Weltliches in rechter Ordnung verbunden sind, wird das ganze Leben der Menschen von Frieden, Wahrheit und Gerechtigkeit durchdrungen.
Die Kirche dient der inneren Erneuerung, der Staat der äußeren Ordnung.
Die eine leitet das Gewissen, der andere schützt das Leben.
Wie Seele und Leib zusammenwirken, damit der Mensch bestehen kann, so müssen auch Kirche und Staat zusammenwirken, damit die menschliche Gesellschaft nicht zerfällt.
Die Kirche darf sich nicht vom Staat trennen, als ginge sie ihn nichts an;
denn das Evangelium will auch die äußere Ordnung erhellen und das Gemeinwesen durch Gerechtigkeit segnen.
Ebenso darf der Staat die Kirche nicht verachten, denn ohne Wahrheit und Tugend kann keine Herrschaft bestehen.
Wo Religion und Obrigkeit gegeneinander stehen, zerbricht die Einheit des Volkes, und das Land wird von Streit und Verwirrung zerrissen.
Die Eintracht zwischen beiden besteht darin, dass sie ihre Grenzen wahren und einander in ihrem Dienst unterstützen.
Die Kirche erinnert die Obrigkeit an das göttliche Gesetz und mahnt sie zur Gerechtigkeit.
Die Obrigkeit schützt die Kirche vor Gewalt und Willkür und ermöglicht, dass das Wort Gottes frei verkündet wird.
So wird das Reich des Geistes und das Reich der Ordnung nicht vermischt, sondern versöhnt.
Eine solche Eintracht entsteht nicht aus Zwang, sondern aus gegenseitiger Treue.
Wenn beide Ordnungen Gott als ihren Ursprung anerkennen und sich in seinem Willen begegnen, wird das Gemeinwesen fest gegründet.
Dann trägt die Frömmigkeit das Recht, und das Recht schützt die Frömmigkeit.
Der Glaube nährt die Gerechtigkeit, und die Gerechtigkeit bewahrt den Glauben.
So ist die Eintracht von Kirche und Staat das Fundament des Friedens,
die Krone der Politik und der sichtbare Ausdruck der göttlichen Ordnung,
durch die Gott in beiden regiert – im Glauben der Frommen und in der Gerechtigkeit der Obrigkeit.
Kapitel 17 – Über den Ursprung des menschlichen Gesetzes und seine Bindung an das göttliche Recht
Das menschliche Gesetz hat seinen Ursprung im göttlichen und natürlichen Recht.
Denn die Vernunft des Menschen kann nichts Gerechtes schaffen, das nicht auf jener ewigen Ordnung beruht, die von Gott ausgeht.
So wie ein Fluss aus seiner Quelle lebt, so lebt das bürgerliche Recht aus der Wahrheit Gottes.
Das göttliche Recht ist die höchste Norm, das natürliche Recht sein Abbild im menschlichen Herzen,
und das menschliche Gesetz ist die Anwendung beider auf die äußeren Verhältnisse des Lebens.
Es hat nur dann Gültigkeit, wenn es in Übereinstimmung mit diesen höheren Ordnungen steht.
Kein Gesetz darf etwas gebieten, was gegen das göttliche Gebot gerichtet ist,
und kein Herrscher hat Macht, das zu erlauben, was Gott verboten hat.
Denn Gott allein ist der Gesetzgeber, und alle menschliche Ordnung empfängt ihre Kraft aus seiner Wahrheit.
Darum verliert jedes Gesetz seine Geltung, wenn es dem göttlichen oder natürlichen Recht widerspricht.
Die Aufgabe der Gesetzgebung ist es, das Gute zu fördern, das Böse zu hindern und den Frieden der Gemeinschaft zu sichern.
Das Gesetz soll nicht als Werkzeug der Willkür dienen, sondern als Ausdruck der Gerechtigkeit, die allen Menschen das Ihre lässt.
Wo das Gesetz zur Waffe der Macht wird, verliert es seine Würde und wird zum Unrecht.
Darum muss jeder, der Gesetze erlässt, sich selbst dem göttlichen Recht unterordnen.
Er soll prüfen, ob seine Satzung die Tugend fördert, die Schwachen schützt, den Frieden erhält und die Freiheit bewahrt.
Gesetze, die nur dem Vorteil der Mächtigen dienen, sind keine Gesetze, sondern verkleidetes Unrecht.
Ein rechtes Gesetz gleicht einem Spiegel, in dem sich die göttliche Ordnung im Irdischen widerspiegelt.
Es erzieht die Menschen nicht durch Furcht, sondern durch Gerechtigkeit,
nicht durch Strafe allein, sondern durch Ordnung und Maß.
So steht das menschliche Gesetz unter Gott und empfängt von ihm Licht und Kraft.
Es ist heilig, wenn es die Gerechtigkeit schützt;
es ist verderbt, wenn es sie zerstört.
Darum ist jede Obrigkeit verpflichtet, das göttliche Recht zu ehren, damit auch ihr eigenes Gesetz bestehen kann.
Kapitel 18 – Über den Zweck der Gesetze und die Tugend des Gesetzgebers
Der wahre Zweck der Gesetze ist nicht die Furcht, sondern die Gerechtigkeit.
Gesetze sollen die Menschen nicht versklaven, sondern anleiten, in Freiheit und Ordnung zu leben.
Sie sind nicht dazu da, die Schwachen zu bedrücken, sondern die Bösen zu zügeln und die Guten zu schützen.
Ein gutes Gesetz richtet sich nicht nach dem Nutzen einzelner, sondern nach dem Wohl des Ganzen.
Es soll das Gerechte fördern, das Unrechte verhindern und zwischen beiden klar unterscheiden.
Denn wo das Gesetz parteiisch ist, verliert es seinen Charakter und wird zum Werkzeug des Unrechts.
Darum ist die Tugend des Gesetzgebers wichtiger als seine Macht.
Nur wer selbst gerecht, weise und maßvoll ist, kann Gesetze schaffen, die gerecht sind.
Wer aus Zorn, Habsucht oder Ehrgeiz Gesetze erlässt, zerstört das, was er zu schützen vorgibt.
Der Gesetzgeber soll den Menschen nicht misstrauen, sondern ihre Natur verstehen.
Er soll erkennen, dass sie zur Gemeinschaft geschaffen sind, aber durch Eigenliebe leicht ins Unrecht fallen.
Darum muss das Gesetz zugleich zügeln und fördern – die Laster hemmen, die Tugend stärken.
Das beste Gesetz ist einfach, klar und fest in der Wahrheit gegründet.
Es soll leicht verstanden und gerecht angewendet werden, damit niemand aus Unwissenheit fällt und niemand durch Verschleierung betrogen wird.
Zu viele Gesetze verwirren, zu harte verbittern, zu schwache entkräften die Ordnung.
Der Gesetzgeber soll daher das rechte Maß wahren:
streng im Grundsatz, milde in der Anwendung,
unbestechlich im Urteil, barmherzig im Geist.
Gesetze, die auf Tugend beruhen, machen das Volk gut;
Gesetze, die aus Willkür stammen, verderben es.
Denn das Volk folgt dem Geist seiner Herrscher:
Sind sie gerecht, wächst die Gerechtigkeit; sind sie ungerecht, breitet sich das Unrecht aus.
So ist der wahre Gesetzgeber ein Diener Gottes,
ein Hüter der Wahrheit und ein Vater des Volkes.
Er soll nicht für Ruhm oder Gewinn arbeiten, sondern für die Ordnung, die Gott will –
damit Friede und Freiheit auf Erden Bestand haben.
Kapitel 19 – Über die Bewahrung und Auslegung der Gesetze
Damit Gesetze ihren Zweck erfüllen, müssen sie treu bewahrt und recht ausgelegt werden.
Denn das beste Gesetz verliert seine Kraft, wenn es vergessen, verfälscht oder willkürlich gedeutet wird.
Die Bewahrung der Gesetze besteht darin, dass sie unverfälscht überliefert, öffentlich bekannt und ohne Ansehen der Person angewendet werden.
Sie sollen nicht Spielball der Macht sein, sondern Maßstab für alle – für Herrscher wie für Untertanen.
Denn das Gesetz steht über dem Menschen, nicht der Mensch über dem Gesetz.
Es ist Pflicht der Obrigkeit, die Gesetze zu hüten wie ein heiliges Gut.
Sie soll darauf achten, dass sie weder durch Bestechung noch durch Furcht gebrochen werden,
dass die Richter sie gerecht vollziehen und die Bürger sie kennen und ehren.
Wo das Gesetz vergessen wird, tritt Willkür an seine Stelle, und die Gemeinschaft zerfällt.
Die Auslegung der Gesetze muss dem Sinn und Geist des Gesetzgebers folgen, nicht dem Vorteil der Mächtigen.
Ein Richter soll nicht nach Worten, sondern nach Wahrheit urteilen.
Er darf den Buchstaben nicht so dehnen, dass er das Recht beugt, und nicht so eng fassen, dass er die Gerechtigkeit tötet.
Die rechte Auslegung sucht nicht das Schlupfloch, sondern den Sinn;
sie fragt nicht: „Was nützt es mir?“, sondern: „Was ist gerecht?“
Denn das Gesetz lebt durch die Gerechtigkeit, nicht durch den Wortlaut allein.
In allen Zweifeln ist das göttliche und natürliche Recht die höchste Richtschnur.
Was mit ihnen übereinstimmt, bleibt gültig; was ihnen widerspricht, ist nichtig, auch wenn es geschrieben steht.
Denn kein menschliches Urteil kann das göttliche Recht aufheben, und kein Fürst darf die Gerechtigkeit nach seinem Willen beugen.
Darum sollen die Richter das Gesetz nicht als Werkzeug, sondern als Treuhand behandeln.
Sie sind Diener der Ordnung, nicht Herren über sie.
Wer das Gesetz verdreht, verrät das Volk; wer es bewahrt, ehrt Gott.
So bleibt das Gesetz lebendig, wenn es in Wahrheit ausgelegt, in Treue bewahrt und in Gerechtigkeit vollzogen wird.
Denn das Gesetz ist nicht Tod, sondern Leben –
wenn es im Licht Gottes steht.
Kapitel 20 – Über die Verbindung von Recht und Gnade in der Regierung
Recht und Gnade sind keine Gegensätze, sondern zwei Kräfte, durch die eine gerechte Regierung Bestand hat.
Denn das Recht erhält die Ordnung, und die Gnade erhält das Herz.
Ohne Recht wird die Gnade zur Willkür; ohne Gnade wird das Recht zur Härte.
Das Recht gebietet, dass jedem gegeben werde, was ihm zusteht.
Es urteilt nach Tat und Gesetz, es schützt den Unschuldigen und straft den Schuldigen.
Doch weil der Mensch schwach ist und irren kann, braucht die Anwendung des Rechts das Licht der Gnade, damit das Urteil nicht bloß kalt, sondern gerecht sei.
Die Gnade hebt das Recht nicht auf, sondern vollendet es.
Sie erkennt, dass Gerechtigkeit ohne Erbarmen grausam, und Erbarmen ohne Gerechtigkeit ungerecht ist.
Darum mildert sie, wo Reue ist, und richtet, wo Bosheit herrscht.
Sie sucht nicht den Untergang, sondern die Besserung des Schuldigen,
nicht die Rache, sondern den Frieden.
Ein guter Herrscher muss beides in sich vereinen – Strenge und Milde, Gerechtigkeit und Mitleid.
Er soll wissen, wann das Schwert nötig ist und wann das Wort genügt;
wann ein Gesetz durchgesetzt und wann eine Schuld vergeben werden muss.
Denn Regierung ist nicht bloß Herrschaft über Körper, sondern auch Sorge um die Seele.
Wer nur Gnade übt, macht das Unrecht frech;
wer nur Recht übt, verhärtet das Volk.
Darum soll der Herrscher richten mit Recht, aber regieren mit Gnade.
Denn das Gesetz zwingt, doch die Gnade gewinnt.
So entsteht eine Ordnung, die zugleich fest und menschlich ist:
Das Recht sichert die Freiheit, die Gnade bewahrt die Liebe.
Beides zusammen bildet den Grund des Friedens,
weil Gott selbst so regiert – gerecht im Urteil, barmherzig im Wesen.
Wer also recht regiert, soll Gott nachahmen:
Er soll das Böse strafen, das Gute schützen, den Irrenden ermahnen und den Reuigen schonen.
So wird das Reich des Rechts zum Abbild der göttlichen Gerechtigkeit,
und das Reich der Gnade zum Zeichen seines Erbarmens.
Kapitel 21 – Über die Tugenden, die für eine gerechte Regierung notwendig sind
Wer eine Gemeinschaft regieren will, muss selbst von Tugend geleitet sein.
Denn keine Ordnung kann bestehen, wenn die Regierenden ohne Maß, Wahrheit und Gerechtigkeit handeln.
Macht ohne Tugend ist Raub, und Gesetz ohne Gewissen ist Tyrannei.
Die erste Tugend des Herrschers ist die Gerechtigkeit.
Sie ist die Königin aller Tugenden und die Grundlage jedes Staates.
Ein gerechter Herrscher achtet das Recht mehr als den eigenen Vorteil.
Er schützt die Unschuld, straft das Unrecht und hält Maß in Belohnung wie in Strafe.
Er weiß, dass er selbst unter dem Gesetz steht, das er anderen auferlegt.
Die zweite Tugend ist die Weisheit.
Sie leitet das Urteil, unterscheidet zwischen Gut und Böse, Notwendigem und Überflüssigem, Schein und Wahrheit.
Ein weiser Fürst handelt nicht aus Leidenschaft, sondern nach Überlegung.
Er prüft Rat und Erfahrung, bevor er entscheidet,
und lässt sich weder von Schmeichelei noch von Zorn verführen.
Die dritte Tugend ist die Mäßigung.
Denn wer sich selbst nicht regiert, kann kein anderes regieren.
Ein mäßiger Herrscher missbraucht die Macht nicht, sucht weder Ruhm noch Reichtum,
sondern das Wohl derer, die ihm anvertraut sind.
Er lebt schlicht, um gerecht zu sein,
und zeigt, dass Herrschaft nicht Überlegenheit, sondern Dienst bedeutet.
Die vierte Tugend ist die Tapferkeit.
Sie bewährt sich nicht nur im Krieg, sondern auch im Frieden,
wo sie Standhaftigkeit gegenüber Unrecht, Widerstand gegen Lüge und Mut zur Wahrheit bedeutet.
Ein tapferer Fürst fürchtet weder den Feind noch den Zorn des Volkes,
wenn er weiß, dass sein Tun recht ist.
Die fünfte Tugend ist die Frömmigkeit.
Denn keine Macht ist sicher, die Gott nicht fürchtet.
Ein frommer Herrscher erkennt, dass er selbst Rechenschaft geben muss über alles, was er tut.
Darum richtet er sein Regiment nach Gottes Gebot und weiß, dass jede Autorität nur geliehen ist.
Diese Tugenden – Gerechtigkeit, Weisheit, Mäßigung, Tapferkeit und Frömmigkeit –
bilden das Fundament einer guten Regierung.
Wo sie fehlen, entstehen Willkür, Gier, Feigheit und Unglaube,
und das Volk verliert den Halt.
Ein tugendhafter Herrscher macht auch das Volk tugendhaft.
Denn das Volk spiegelt seinen Fürsten:
Wo der Herrscher gerecht ist, wird das Volk friedlich;
wo er fromm ist, wird das Volk ehrbar;
wo er stolz und lüstern ist, wird das Volk verkommen.
Darum ist Tugend das erste Gesetz des Regierens,
und der Herrscher, der sie bewahrt, wird mehr geliebt als gefürchtet.
Er ist nicht Herr der Menschen, sondern Hüter des Rechts –
und in seinem Dienst erscheint die Ordnung Gottes unter den Menschen.
Kapitel 22 – Über die Laster, durch die Regierungen und Staaten zugrunde gehen
Wie Tugend ein Gemeinwesen stärkt, so zerstören Laster jede Ordnung, sobald sie in die Leitung eindringen.
Denn kein Reich fällt von außen, das nicht zuvor von innen verfault ist.
Das erste und gefährlichste Laster ist der Stolz.
Er macht den Herrscher blind für seine Grenzen und taub für die Wahrheit.
Wer sich selbst für göttlich hält, verachtet das Gesetz, und wer das Gesetz verachtet, verachtet Gott.
Stolz gebiert Verachtung des Volkes, Härte im Urteil und Missbrauch der Macht.
Er trennt den Fürsten von seinem Auftrag und das Volk von seiner Treue.
Das zweite Laster ist die Habsucht.
Sie verdirbt das Herz und macht das Recht käuflich.
Ein gieriger Herrscher beutet die Schwachen aus, verkauft Ämter, häuft Reichtum an und verschwendet das Gut der Gemeinschaft.
Aus solcher Gier entstehen Betrug, Unterdrückung und Ungerechtigkeit.
Wo das Gold herrscht, schweigt das Gewissen, und das Volk wird arm an Recht und Hoffnung.
Das dritte Laster ist die Wollust, die das Gemüt schwächt und den Geist verdirbt.
Ein Fürst, der sich dem Genuss ergibt, verliert Mut und Urteilskraft.
Er vernachlässigt das Gemeinwesen, verschwendet die öffentlichen Mittel und wird Spielball seiner Leidenschaften.
Ein entwürdigter Herrscher macht das Volk verächtlich und die Ordnung schutzlos.
Das vierte Laster ist die Feigheit.
Sie lässt das Unrecht wachsen, weil sie das Böse nicht straft.
Ein feiger Herrscher schweigt, wenn er reden müsste, und weicht, wo er stehen sollte.
Er sucht den Frieden um jeden Preis und verliert am Ende sowohl den Frieden als auch die Ehre.
Das fünfte Laster ist die Ungerechtigkeit.
Sie ist die Wurzel aller anderen Übel.
Wo das Recht gebrochen wird, zerfällt das Vertrauen;
wo das Vertrauen zerfällt, bricht der Bund zwischen Obrigkeit und Volk.
Dann folgen Aufruhr, Spaltung und Untergang.
Wenn diese Laster zusammenkommen – Stolz, Habsucht, Wollust, Feigheit und Ungerechtigkeit –,
wird jede Ordnung verdorben.
Das Volk verachtet seine Führer, die Führer hassen das Volk,
und die Macht wird zur Beute der Stärkeren.
Darum ist die Reinigung des Regierens keine Nebensache, sondern Lebensfrage.
Kein Staat wird durch Armut zerstört, sondern durch moralische Fäulnis.
Wo die Tugend stirbt, folgt bald das Gericht,
und das Reich, das sich selbst verzehrt, wird durch niemanden mehr gerettet.
So wie Tugend das Licht des Reiches ist, so ist das Laster seine Finsternis.
Und wie ein Licht, das erlischt, Nacht über das Land bringt,
so stürzt das Laster das Volk in Unordnung, Gewalt und Verzweiflung.
Darum ist die erste Pflicht jeder Regierung, sich selbst zu beherrschen,
damit sie bestehen kann – nicht durch Macht, sondern durch Reinheit.
Kapitel 23 – Über den rechten Gebrauch der Macht
Macht ist ein Werkzeug, kein Besitz.
Sie wird der Obrigkeit von Gott und der Gemeinschaft verliehen, damit sie zum Schutz, nicht zur Unterdrückung diene.
Darum ist Macht an Recht gebunden und verliert ihre Würde, sobald sie gegen das Recht gebraucht wird.
Der rechte Gebrauch der Macht besteht darin, dass sie das Gute fördert und das Böse hemmt.
Sie soll den Frieden erhalten, die Schwachen schützen, das Eigentum sichern und die Gerechtigkeit durchsetzen.
Macht hat nur dann Bestand, wenn sie dem Wohl der Menschen dient, für die sie gegeben ist.
Ein Herrscher gebraucht seine Macht recht, wenn er sie mit Furcht vor Gott und in Liebe zum Volk ausübt.
Denn wer ohne Furcht herrscht, wird überheblich,
und wer ohne Liebe regiert, wird grausam.
Beides führt zum Missbrauch der Autorität, der am Ende das Reich zerstört, das er zu festigen sucht.
Macht ist kein Vorrecht, sondern eine Bürde.
Der Herrscher ist der erste Diener des Gesetzes und der letzte, der sich davon lösen darf.
Er soll nicht befehlen, was er selbst nicht zu tun bereit ist,
und nicht verbieten, was er selbst im Verborgenen begeht.
Das Volk wird dem folgen, der Vorbild ist, nicht dem, der nur gebietet.
Der rechte Gebrauch der Macht zeigt sich in drei Dingen:
in Gerechtigkeit, die unparteiisch ist;
in Mäßigung, die nicht über das Ziel hinausgreift;
und in Treue, die das gegebene Wort hält.
Denn Macht ohne Treue ist Verrat, Macht ohne Maß ist Gewalt, und Macht ohne Recht ist Unheil.
Wer die Macht recht gebraucht, achtet ihre Grenze.
Er weiß, dass er sterblich ist, und dass über ihm einer steht, dem er Rechenschaft geben muss.
Darum fürchtet er Gott mehr als Menschen und das Unrecht mehr als den Verlust des Thrones.
Die höchste Ehre des Herrschers besteht nicht darin, dass ihm viele gehorchen,
sondern dass er gerecht ist und das Vertrauen seines Volkes verdient.
Denn Macht vergeht, wenn sie gefürchtet wird; sie bleibt, wenn sie geachtet wird.
So ist wahre Macht die Kraft des Rechts,
und wer sie missbraucht, verliert sie schon, ehe sie ihm genommen wird.
Darum ist der rechte Gebrauch der Macht zugleich der Prüfstein der Frömmigkeit und die Krone der Regierung.
Kapitel 24 – Über die Gefahr der unumschränkten Gewalt
Unumschränkte Gewalt ist die größte Gefahr für jedes Gemeinwesen.
Denn wo kein Maß, kein Gesetz und keine Rechenschaft mehr gilt,
dort verwandelt sich Herrschaft in Tyrannei und Ordnung in Unterdrückung.
Gott hat keinem Menschen Macht gegeben, die über Recht und Gewissen steht.
Alle Gewalt ist verliehen und gebunden – verliehen von Gott, gebunden an das Gesetz.
Darum ist absolute Herrschaft nicht göttlich, sondern widergöttlich,
weil sie den Menschen an die Stelle Gottes setzt.
Ein Herrscher, der keine Grenzen anerkennt, wird selbst zum Gesetz.
Was er will, gilt als Recht; was ihm missfällt, wird zur Schuld.
So wird aus der Obrigkeit, die das Volk schützen soll, sein Feind.
Und das Volk verliert die Freiheit, für die Gott es geschaffen hat.
Unumschränkte Gewalt zerstört nicht nur die Freiheit, sondern auch die Gerechtigkeit.
Denn wo der Wille eines Menschen über dem Gesetz steht,
kann kein Unschuldiger sicher sein und kein Schuldiger mit Gewissheit bestraft werden.
Das Recht wird zum Werkzeug der Macht,
und das Volk lebt nicht mehr unter Gesetzen, sondern unter Laune und Angst.
Darum muss jede rechtmäßige Herrschaft geteilt und begrenzt sein.
Macht soll durch Macht gebunden, Wille durch Rat gelenkt, und Urteil durch Recht geprüft werden.
Nur so bleibt die Regierung gerecht und das Volk frei.
Auch die Kirche soll sich vor unumschränkter Gewalt hüten.
Denn geistliche Macht, die keine Zucht und kein Gegenwort duldet,
verdirbt ebenso wie die weltliche.
Wo Menschen sich selbst unfehlbar machen,
verlassen sie die Wahrheit und führen die Seele in Knechtschaft.
Die beste Ordnung ist jene, in der alle Gewalten im Gleichgewicht stehen:
die Obrigkeit im Dienst des Rechts, die Richter im Dienst der Wahrheit,
die Kirche im Dienst des Wortes,
und das Volk im Dienst des Gehorsams gegenüber Gott.
So wird keine Gewalt absolut,
weil jede an Gott und Recht gebunden bleibt.
Freiheit und Ordnung bestehen nur, wo das Gesetz über dem Menschen steht,
und der Mensch unter dem Gesetz Gottes.
Darum soll keine Regierung sich selbst vergötzen.
Denn wer alle Macht beansprucht, verliert sie.
Und wer sich Gott gleichmacht, wird am Ende von Gott gerichtet.
Kapitel 25 – Über die gegenseitige Verantwortung von Obrigkeit und Volk
Obgleich Obrigkeit und Volk verschiedene Aufgaben haben, sind sie durch einen gemeinsamen Bund miteinander verbunden.
Denn keine Obrigkeit kann ohne Volk bestehen, und kein Volk ohne Obrigkeit geordnet leben.
Beide sind voneinander abhängig, beide tragen Verantwortung voreinander – und beide stehen unter Gott.
Die Obrigkeit ist eingesetzt, um das Volk zu schützen, zu leiten und im Recht zu erhalten.
Das Volk aber ist berufen, der Obrigkeit zu dienen, sie zu achten und ihr in allem Gerechten zu gehorchen.
So entsteht ein gegenseitiges Verhältnis von Pflicht und Vertrauen, das den Bestand der Gemeinschaft sichert.
Die Obrigkeit schuldet dem Volk Gerechtigkeit, Schutz und Treue.
Sie darf weder willkürlich herrschen noch fremdem Vorteil dienen,
sondern soll das Wohl derer suchen, die ihr Macht verliehen haben.
Ihre Herrschaft ist nicht Eigentum, sondern ein Auftrag,
und sie wird Rechenschaft ablegen müssen über jede Tat, jeden Erlass, jedes Urteil.
Das Volk schuldet der Obrigkeit Gehorsam, Ehre und Unterstützung.
Es soll ihre rechtmäßigen Gesetze befolgen, ihre Amtsträger achten und zu ihrer Arbeit beitragen –
durch Rat, Arbeit, Abgaben und Treue im Frieden wie in der Not.
Denn die Regierung kann nur bestehen, wenn das Volk sich selbst regieren lernt.
Doch dieser gegenseitige Bund ist nicht blind.
Wenn die Obrigkeit das Recht verlässt und zur Unterdrückung wird,
ist das Volk nicht mehr zur Mitwirkung am Unrecht verpflichtet.
Denn Gott hat keine Obrigkeit eingesetzt, um Unrecht zu schützen,
sondern um das Gute zu fördern.
Wo sie also das Böse befiehlt, hört sie auf, Obrigkeit zu sein, und wird zur Last der Gemeinschaft.
In einem gerechten Gemeinwesen gibt es darum Rechenschaft auf beiden Seiten.
Das Volk darf die Obrigkeit ermahnen, wenn sie vom Recht abweicht,
und die Obrigkeit darf das Volk züchtigen, wenn es die Ordnung bricht.
Beide sollen sich gegenseitig zur Gerechtigkeit rufen,
nicht aus Trotz, sondern aus Pflicht vor Gott.
So ist der Staat kein Herrschaftsverhältnis, sondern ein gegenseitiger Treuebund.
Die Obrigkeit steht im Dienst der Wahrheit,
das Volk im Dienst der Gerechtigkeit.
Beide leben vom Vertrauen des anderen,
und beide gehen zugrunde, wenn sie dieses Vertrauen brechen.
Darum muss die politische Gemeinschaft stets erneuert werden –
nicht durch Aufruhr, sondern durch Wahrheit,
nicht durch Gewalt, sondern durch Gerechtigkeit.
Denn in diesem Bund spiegelt sich die Ordnung Gottes wider,
in der jeder das Seine tut,
und alle zusammen dem Herrn dienen.
Kapitel 26 – Über die rechtmäßige Einsetzung und Absetzung der Obrigkeit
Da alle Obrigkeit von der Gemeinschaft ausgeht, ist auch ihre Einsetzung ein Werk geordneter Zustimmung.
Denn kein Mensch darf von sich aus Herrschaft über andere beanspruchen;
sie wird verliehen durch Berufung, Eid und öffentliches Recht.
Darum ist die Obrigkeit nicht Erbe persönlicher Macht, sondern Träger eines Amtes.
Die Einsetzung einer Obrigkeit geschieht rechtmäßig,
wenn das Volk – unmittelbar oder durch seine rechtmäßigen Vertreter –
eine Person erwählt, die fähig, tugendhaft und dem Gemeinwohl verpflichtet ist.
Diese Wahl wird durch Eid und Ordnung bestätigt,
wodurch die wechselseitige Bindung von Herrscher und Volk rechtlich begründet wird.
Der Eid verpflichtet die Obrigkeit, gerecht zu regieren und das Recht zu wahren,
und er verpflichtet das Volk, ihr in allem Gerechten zu folgen.
So wird die politische Ordnung gegründet auf beiderseitige Treue –
auf Herrschaft durch Recht und Gehorsam durch Gewissen.
Doch wie jede Macht verliehen wird, so kann sie auch wieder entzogen werden,
wenn sie gegen ihren Ursprung handelt.
Denn kein Amt ist unverletzlich, das zum Schaden des Gemeinwesens gebraucht wird.
Wenn die Obrigkeit das Gesetz bricht, den Eid verleugnet oder das Volk verrät,
dann zerstört sie selbst den Bund, der ihr Autorität verliehen hat.
In einem solchen Fall steht es der Gemeinschaft zu,
die verletzte Ordnung wiederherzustellen,
sei es durch Ermahnung, rechtmäßige Klage,
oder – wenn alle anderen Mittel versagen – durch Absetzung und Ersatz des Amts.
Doch dies darf nicht in Hast oder Zorn geschehen,
sondern nach festem Beweis, reifem Rat und im Geist der Gerechtigkeit.
Denn Aufruhr ist nicht Wiederherstellung,
und Rache ist keine Gerechtigkeit.
Die Absetzung eines Herrschers ist nur dann rechtmäßig,
wenn sie aus Pflicht gegenüber Gott und Recht geschieht,
nicht aus Eigennutz oder Machtgier.
So bleibt auch die Absetzung eine Form des Gehorsams –
Gehorsam gegenüber der Ordnung, die höher steht als jeder Herrscher.
Denn wie die Obrigkeit eingesetzt wird durch Zustimmung,
so kann sie auch abgesetzt werden durch dieselbe Zustimmung,
wenn sie den Zweck ihrer Berufung zerstört hat.
Darum ist jede Obrigkeit gebunden, sich selbst zu prüfen,
ob sie noch in Treue und Recht steht.
Denn der Herrscher, der gerecht bleibt, wird vom Volk geehrt;
der Herrscher, der treulos wird, wird durch das Recht gerichtet.
Und so gilt für alle:
Macht wird durch Treue begründet,
und durch Untreue verloren.
Denn Gott selbst ist der Zeuge jedes Eides,
und vor ihm werden alle Regierenden Rechenschaft geben.
Kapitel 27 – Über den öffentlichen Eid und seine Bedeutung für das Gemeinwesen
Der Eid ist die heiligste Form öffentlicher Verpflichtung.
Er verbindet das Wort des Menschen mit dem Namen Gottes
und macht die Wahrheit zur Grundlage jeder Obrigkeit, jedes Amtes und jeder Gemeinschaft.
Durch den Eid bekräftigt der Mensch, dass er in seinem Tun der Wahrheit treu bleiben will,
und ruft Gott als Zeugen und Richter an über seine Aufrichtigkeit.
Darum darf kein Eid leichtfertig abgelegt und keiner unbedacht verlangt werden.
Denn wer im Namen Gottes lügt, lästert den, dessen Wahrheit ewig ist.
Der öffentliche Eid ist das Band der politischen Ordnung.
Er verbindet Obrigkeit und Volk, Herrscher und Beamte, Richter und Bürger zu einer gemeinsamen Verantwortung.
Er erinnert jeden an seine Pflicht, dem Recht zu dienen und das Gemeinwohl zu schützen.
Ohne Eid verliert die Ordnung ihren inneren Halt,
denn wo niemand mehr Rechenschaft vor Gott scheut,
herrscht bald Willkür über Wahrheit.
Die Obrigkeit legt ihren Eid ab, um das Gesetz zu wahren,
die Freiheit zu schützen und in allem gerecht zu handeln.
Das Volk leistet seinen Eid, um in Treue, Gehorsam und Pflichterfüllung
die Ordnung zu stützen, die Gott eingesetzt hat.
So entsteht eine doppelte Bindung – nach oben und nach unten –
durch die die politische Gemeinschaft fest gegründet bleibt.
Der Eid verpflichtet aber nur, solange er rechtmäßig ist.
Kein Mensch darf durch Schwur gebunden werden, etwas zu tun, was gegen Gott oder gegen das Gesetz der Gerechtigkeit steht.
Denn kein Versprechen kann Unrecht rechtfertigen,
und kein Amt kann Ungehorsam gegen Gott verlangen.
Wer durch Eid Unrecht deckt, bricht den wahren Eid,
weil er den Sinn des Schwurs – Treue zur Wahrheit – verleugnet.
Darum soll der Eid öffentlich, klar und im Namen Gottes abgelegt werden,
nicht im Geheimen, nicht aus Zwang, sondern aus freiem Gewissen.
Er soll nicht Mittel der Kontrolle sein, sondern Ausdruck der Verantwortung.
Denn der Eid erinnert daran, dass alle Macht, alles Recht und jedes Wort
unter der Herrschaft Gottes steht.
Wo der Eid geachtet wird, bleibt das Gemeinwesen fest.
Wo er verachtet wird, zerbricht das Vertrauen.
Denn das Volk kann keinen Herrscher ehren,
dessen Wort ohne Wahrheit ist,
und keine Obrigkeit kann einem Volk vertrauen,
das seine Versprechen bricht.
So ist der Eid das sichtbare Siegel der inneren Treue.
Er hält das menschliche Wort im Licht der göttlichen Wahrheit
und bewahrt die Gemeinschaft davor, in Lüge und Willkür zu zerfallen.
Darum soll er mit Furcht gesprochen und mit Taten bestätigt werden.
Denn wer Gott zum Zeugen ruft, ruft zugleich sein Gericht,
wenn er untreu wird.
Kapitel 28 – Über die Bedeutung der Wahrheit und Wahrhaftigkeit im öffentlichen Leben
Wahrheit ist das Fundament jeder Gemeinschaft.
Ohne Wahrheit kann kein Recht bestehen, kein Vertrauen leben, kein Volk in Frieden regiert werden.
Denn Lüge zerstört, was kein Schwert vernichten kann – das Band der Treue zwischen Menschen.
Die Wahrheit ist göttlichen Ursprungs.
Sie ist das Licht, durch das der Mensch erkennt, was gut und gerecht ist.
Darum ist jedes Reich, das auf Lüge gebaut wird, gegen Gott gerichtet und seinem Untergang geweiht.
Denn Gott selbst ist Wahrheit, und wer sie verlässt, verlässt ihn.
Im öffentlichen Leben hat die Wahrhaftigkeit dieselbe Bedeutung wie das Fundament für ein Gebäude.
Wenn sie bricht, fällt das Ganze.
Regierende, die täuschen, verlieren die Achtung des Volkes;
und ein Volk, das lügt, verliert die Kraft, seine Freiheit zu bewahren.
So wie Vertrauen die Frucht der Wahrheit ist, so ist Misstrauen die Folge der Lüge.
Die erste Pflicht der Obrigkeit ist daher, die Wahrheit zu ehren und zu sprechen.
Sie soll das Wort nicht gebrauchen, um zu verdecken, sondern um zu offenbaren.
Ein gerechter Herrscher spricht schlicht, hält, was er verspricht,
und fürchtet den Verlust seiner Ehre mehr als den Verlust seiner Macht.
Ebenso soll das Volk wahrhaftig sein im Reden und Handeln.
Falscher Eid, Heuchelei und Betrug verderben die Seele einer Nation.
Denn ein Volk, das an die Lüge gewöhnt ist, wird auch die Tyrannei dulden,
weil es die Wahrheit nicht mehr liebt und das Recht nicht mehr unterscheidet.
Die Wahrhaftigkeit in Wort und Tat ist das Band der Freiheit.
Wo sie verloren geht, entsteht Argwohn, Täuschung und Gewalt.
Denn wer die Wahrheit nicht achtet, muss durch Furcht regiert werden.
Darum ist die Lüge der Anfang jeder Knechtschaft.
In der Regierung zeigt sich Wahrhaftigkeit darin,
dass die Obrigkeit nichts befiehlt, was sie selbst zu verbergen hätte,
und dass Gesetze nicht dem äußeren Schein, sondern der inneren Wahrheit dienen.
Ein Reich kann mehr Unrecht ertragen als Lüge –
denn Unrecht lässt sich richten, Lüge aber zersetzt den Geist.
So ist die Wahrheit das Band zwischen Obrigkeit und Volk,
zwischen Gesetz und Gewissen, zwischen Mensch und Gott.
Sie ist das Licht, das Gerechtigkeit sichtbar macht,
und die Kraft, durch die jede Ordnung Bestand hat.
Darum soll das Gemeinwesen die Wahrheit ehren über alle Dinge.
Denn wo Wahrheit herrscht, herrscht Freiheit;
und wo die Lüge regiert, ist der Untergang schon begonnen.
Kapitel 29 – Über den gerechten Rat und die Weisheit in der Regierung
Keine Regierung kann allein durch Macht bestehen; sie braucht Rat und Einsicht.
Denn wo ein Einzelner ohne Beratung herrscht, wird selbst der Beste leicht zum Irrenden.
Macht ohne Weisheit ist blind, und Ratlosigkeit ist der Anfang des Verfalls.
Darum hat Gott selbst in jeder rechtmäßigen Ordnung den Rat eingesetzt,
damit die Obrigkeit nicht nach Willkür, sondern nach Einsicht regiere.
Ein gerechter Rat ist der Spiegel der Wahrheit, in dem der Herrscher sein Tun prüfen kann,
und das Bollwerk gegen Irrtum, Schmeichelei und Zorn.
Die Obrigkeit soll sich mit weisen, gottesfürchtigen und erfahrenen Männern umgeben,
die nicht nach Gunst, sondern nach Wahrheit reden,
die das Wohl des Gemeinwesens über den eigenen Vorteil stellen
und in Rat und Schweigen das Geheimnis der Treue bewahren.
Der Rat soll frei sprechen dürfen, ohne Furcht und ohne Schmeichelei.
Denn der Fürst, der nur Zustimmung hören will, verliert bald die Wahrheit.
Und wer die Wahrheit nicht mehr hören kann,
hat aufgehört, gerecht zu regieren.
Weisheit in der Regierung zeigt sich darin,
dass die Obrigkeit Rat sucht, aber nicht von der Pflicht abweicht;
dass sie zuhört, aber selbst entscheidet;
dass sie zwischen vielen Stimmen das Rechte erkennt und das Gute wählt, auch wenn es schwer ist.
Ein gerechter Rat ist wie ein Gewissen für den Staat:
Er mahnt, prüft und erinnert.
Er schützt den Herrscher vor Irrtum und das Volk vor Willkür.
Doch wenn der Rat verdorben wird durch Bestechung, Gunst oder Furcht,
wird er zur Falle statt zum Schutz.
Darum soll der Rat öffentlich verantwortlich sein,
damit niemand heimlich lenke, was das Volk betrifft.
Vertrauliche Beratung ist erlaubt,
aber die Entscheidung soll im Licht des Rechts stehen.
Die Weisheit in der Regierung besteht darin, das rechte Maß zu finden
zwischen Entschlusskraft und Bedacht,
zwischen Strenge und Milde,
zwischen dem, was jetzt nötig ist, und dem, was auf Dauer Bestand hat.
Ein weiser Herrscher sieht weiter als den Tag.
Er fragt nicht nur, was nützt, sondern was gerecht ist.
Er fürchtet den unweisen Sieg mehr als die gerechte Niederlage.
So wird die Regierung fest durch gerechten Rat,
und der Staat bleibt stark, wo die Wahrheit gehört werden darf.
Denn die größte Weisheit des Herrschers ist,
von weisen Männern umgeben zu sein und ihnen zu lauschen –
doch am Ende nur Gott zu gehorchen.
Kapitel 30 – Über die Verantwortung des Rates und seine Pflichten gegenüber dem Gemeinwesen
Der Rat steht im Dienst der Wahrheit und des Gemeinwohls.
Er ist eingesetzt, um der Obrigkeit zu helfen, das Rechte zu erkennen und zu tun,
und zugleich das Volk vor ungerechtem Beschluss zu schützen.
Darum trägt der Rat doppelte Verantwortung – gegenüber dem Herrscher und gegenüber Gott.
Ein rechter Rat soll nicht Werkzeug der Macht, sondern Wächter der Gerechtigkeit sein.
Er soll das Ohr des Herrschers mit Wahrheit füllen,
auch wenn sie unbequem ist,
und ihn vor Entschlüssen warnen, die dem Recht oder dem Frieden schaden.
Denn Schweigen im Rat, wenn das Unrecht naht,
ist Verrat am Gemeinwesen.
Die erste Pflicht des Rates ist Treue.
Er soll den Herrscher beraten, als stünde er selbst unter dessen Eid,
und sich weder kaufen lassen noch aus Furcht verstummen.
Denn Rat ohne Treue ist Gift,
und Berater, die um Gunst buhlen, verderben das Reich schneller als Feinde von außen.
Die zweite Pflicht ist Wahrhaftigkeit.
Ein Rat, der die Wahrheit verschweigt oder verfälscht,
sät Verwirrung und zerstört das Vertrauen zwischen Herrscher und Volk.
Darum soll jedes Wort im Rat geprüft, jedes Urteil aufrichtig sein,
denn wer das Ohr des Herrschers verdirbt, verdirbt das Herz der Regierung.
Die dritte Pflicht ist Weisheit.
Der Rat soll weder übereilen noch zaudern,
sondern mit ruhigem Geist abwägen,
welches Mittel dem Recht, nicht bloß dem Nutzen, dient.
Er soll auf Erfahrung bauen, nicht auf Meinung,
und aus der Geschichte lernen, wie leicht Macht und Volk ins Verderben geraten,
wenn der Rat seine Pflicht vernachlässigt.
Die vierte Pflicht ist Verschwiegenheit.
Was im Rat beraten wird, soll nicht zum Gerücht werden.
Denn das Vertrauen des Herrschers und der Schutz des Gemeinwesens
hängen davon ab, dass die Worte des Rates nicht zur Waffe der Feinde werden.
Doch Verschwiegenheit darf nie zur Deckung des Unrechts missbraucht werden.
Was gegen Gott und Recht beschlossen wird, darf kein Schweigen schützen.
Ein gerechter Rat gleicht einem Gewissen,
das nicht herrscht, sondern mahnt,
nicht befiehlt, sondern lenkt.
Seine Ehre liegt darin, dass er das Gute fördert,
auch wenn andere es nicht sehen wollen.
Darum sollen die Ratsmitglieder wissen,
dass sie nicht nur dem Herrscher dienen,
sondern Gott, der über alle steht.
Sie tragen Verantwortung für jedes Wort,
für jeden Beschluss, für jedes Schweigen.
Ein Rat, der aus Wahrheit, Treue und Furcht Gottes besteht,
ist das Herz des Staates.
Doch ein Rat, der sich selbst sucht,
ist der Anfang des Verderbens.
Kapitel 31 – Über die rechte Beratung und den Umgang mit Rat und Widerspruch
Wahre Beratung geschieht in Freiheit und Wahrheit.
Denn Rat, der unter Furcht gegeben oder unter Druck verlangt wird, ist kein Rat, sondern Zwang.
Darum soll jede Beratung so geführt werden, dass die Wahrheit ungehindert ausgesprochen werden kann.
Ein gerechter Herrscher verlangt nicht Zustimmung, sondern Einsicht.
Er will nicht hören, was ihm schmeichelt, sondern was ihm nützt.
Darum soll er den Rat nicht als Schmuck seiner Macht,
sondern als Schutz seiner Gerechtigkeit ansehen.
Denn wer sich nur mit Ja-Sagern umgibt, regiert bald im Irrtum.
Die Aufgabe der Ratgeber ist, offen zu sprechen,
doch mit Achtung und Demut, nicht im Geist des Streits.
Denn Rat ist keine Rebellion, und Widerspruch ist keine Verachtung.
Die Wahrheit darf kühn sein, aber nicht anmaßend;
sie soll mit Vernunft gesprochen werden, nicht mit Zorn.
Ein weiser Rat prüft sorgfältig, ehe er urteilt.
Er hört beide Seiten, wägt Nutzen und Recht,
fragt nach der Ursache des Übels und dem besten Weg zur Heilung.
Denn schnelle Beschlüsse bringen selten dauerhaften Frieden.
Wenn Meinungsverschiedenheit entsteht,
soll sie nicht als Feindschaft gelten, sondern als Zeichen lebendiger Vernunft.
Denn wo viele beraten, ist Verschiedenheit natürlich;
Einmütigkeit ohne Prüfung ist Verdacht auf Blindheit.
Die Eintracht des Rates besteht nicht darin, dass alle gleich denken,
sondern dass alle die Wahrheit suchen.
Der Herrscher soll Rat hören,
aber er darf sich nicht von Worten treiben lassen,
sondern selbst das Urteil fällen nach Gesetz, Vernunft und Gewissen.
Denn Rat hilft, doch Entscheidung bleibt Pflicht des Regierenden.
Ein Herrscher, der nur den Rat befolgt, ohne zu prüfen,
wird von fremdem Willen regiert;
wer aber jeden Rat verachtet,
fällt dem eigenen Irrtum anheim.
Darum liegt Weisheit in der Mitte:
zu hören, aber nicht zu gehorchen;
zu bedenken, aber nicht zu zögern;
zu entscheiden, aber nicht überhastet.
Auch soll der Rat stets dem Licht dienen, nicht der Dunkelheit.
Geheime Beratung ist erlaubt,
doch Beschlüsse, die das Volk betreffen, sollen klar begründet und öffentlich sein.
Denn nur wo Licht ist, bleibt Vertrauen.
So ist die rechte Beratung ein Werk der Wahrheit,
nicht der Taktik;
ein Ausdruck der Treue,
nicht der Schmeichelei.
Und wo Rat und Widerspruch in Ordnung verbunden sind,
da regiert Weisheit,
und das Volk lebt in Sicherheit.
Kapitel 32 – Über die Bedeutung der Gerechtigkeit in allen öffentlichen Ämtern
Gerechtigkeit ist das Herz jedes Gemeinwesens.
Ohne sie wird das Recht zur Lüge, die Macht zur Gewalt und das Amt zum Raub.
Darum ist jeder, der ein öffentliches Amt bekleidet – ob hoch oder niedrig –, vor allem Hüter der Gerechtigkeit.
Kein Amt ist Selbstzweck.
Jedes ist Dienst am Gemeinwohl und an der Ordnung, die Gott eingesetzt hat.
Darum steht jeder Amtsträger unter Gott, unter dem Gesetz und unter seinem eigenen Eid.
Er darf nicht nach Willkür handeln, sondern nach Recht und Gewissen,
denn die Macht, die ihm verliehen ist, gehört nicht ihm, sondern der Gemeinschaft.
Die Gerechtigkeit verlangt, dass kein Amt durch Geld, Gunst oder Herkunft vergeben wird,
sondern nach Tüchtigkeit, Erfahrung und Treue.
Wer ein Amt erkauft, verkauft das Recht,
und wer es nur um der Ehre willen sucht,
macht sich selbst zum Götzen und das Amt zur Beute.
Ein Amtsträger soll unparteiisch urteilen.
Er darf weder den Reichen bevorzugen noch den Armen verachten,
weder den Freund schonen noch den Feind übermäßig bestrafen.
Denn das Amt ist nicht Auge oder Ohr des Menschen, sondern Werkzeug der Wahrheit.
Gerechtigkeit im Amt zeigt sich nicht im Reden, sondern im Tun.
Ein gerechter Beamter hält, was er verspricht;
er fürchtet das Unrecht mehr als den Zorn der Mächtigen,
und er sucht das Wohl der Gemeinschaft mehr als das eigene.
Er ist standhaft im Urteil, geduldig im Zuhören,
und barmherzig im Vollzug des Gesetzes, wo es Raum dafür gibt.
Das Amt soll kein Mittel des Gewinns sein,
sondern ein Ausdruck des Dienstes.
Darum ist Maßhalten die Zierde des Beamten,
und Einfachheit sein Schutz vor Verführung.
Wer sich durch Geschenke, Bestechung oder Drohung lenken lässt,
verrät das Volk, dem er dienen soll.
Die höchste Ehre des Amtes ist Lauterkeit.
Denn das Volk verzeiht Fehler, aber nicht Falschheit.
Es ehrt den, der gerecht ist, auch wenn er streng ist,
und verachtet den, der freundlich scheint, aber das Recht beugt.
Darum gilt:
Kein Amt ist groß durch Rang,
sondern durch Gerechtigkeit.
Und kein Diener der Obrigkeit ist wahrhaft geehrt,
außer dem, der dem Recht treu bleibt,
auch wenn er dafür leiden muss.
So wird die Gerechtigkeit zur Seele des Staates,
und jedes Amt, das sie bewahrt,
wird zum Werkzeug des Friedens und der Freiheit.
Kapitel 33 – Über die Versuchungen und Gefahren des Amtes
Jedes öffentliche Amt bringt Ehre, aber auch Gefahr.
Denn wer über andere gesetzt ist, steht im Licht –
und das Licht enthüllt sowohl Tugend als auch Schwäche.
Die größte Versuchung des Amtes ist der Missbrauch der Macht.
Denn Macht schmeichelt dem Herzen und verführt leicht zum Stolz.
Wer lange befiehlt, verlernt zu hören,
und wer gewohnt ist, dass andere sich beugen,
glaubt bald, er selbst stehe über dem Gesetz.
So entsteht aus Amt Autorität, aus Autorität Überhebung,
und aus Überhebung Unrecht.
Die zweite Gefahr ist die Begierde nach Reichtum und Gewinn.
Viele beginnen im Dienst, doch enden im Eigennutz.
Sie gebrauchen das Amt, um zu nehmen, nicht um zu geben;
sie häufen Besitz, während das Recht verkümmert.
Doch das Amt ist kein Handel und keine Beute,
sondern eine Treuhand, die vor Gott zu verantworten ist.
Die dritte Versuchung ist die Menschenfurcht.
Wer mehr fürchtet, Menschen zu verärgern, als Gott zu missfallen,
wird bald das Recht verraten.
Denn das Volk liebt heute, was es morgen hasst,
und wer allen gefallen will,
wird weder Gott noch Menschen gerecht.
Darum ist Standhaftigkeit im Urteil die Krone des Amtsträgers.
Die vierte Gefahr ist die Trägheit.
Mancher verschleppt die Entscheidung, um keinen Anstoß zu erregen;
er schweigt, wo er reden müsste, und lässt geschehen, was er verhindern könnte.
Doch Unrecht, das aus Nachlässigkeit geschieht,
ist nicht weniger schuldhaft als Unrecht aus bösem Willen.
Denn Schweigen schützt den Schuldigen und verrät den Gerechten.
Die fünfte Versuchung ist der Ehrgeiz.
Wer sein Amt sucht, um gesehen zu werden,
verliert bald die Reinheit seines Gewissens.
Ehre ist die Frucht des treuen Dienstes,
nicht sein Ziel.
Denn der, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden.
Darum soll jeder, der ein Amt trägt, täglich prüfen,
ob er dem Recht dient oder sich selbst,
ob er dem Volk verpflichtet ist oder seiner Eitelkeit.
Er soll wissen, dass das Amt vergeht,
aber die Rechenschaft bleibt.
Kein Stand ist gefährlicher als der hohe,
denn je höher der Platz, desto tiefer der Fall.
Darum ist Demut die Mauer,
die das Herz des Amtsträgers schützt.
Wer sie verliert, wird vom Stolz verzehrt,
und wer sie bewahrt, bleibt in Ehren bestehen.
So soll jeder, der herrscht oder richtet, sich selbst zum ersten Untertan machen.
Denn wer sich selbst nicht regieren kann,
ist unwürdig, andere zu leiten.
Kapitel 34 – Über die Rechenschaftspflicht der Amtsträger
Kein Amt ist ohne Verantwortung.
Denn wer Macht empfängt, empfängt sie nicht als Eigentum, sondern als Auftrag,
und jeder Auftrag verlangt Rechenschaft.
Darum steht jeder Amtsträger – ob groß oder klein – unter der Pflicht, zu antworten für das, was ihm anvertraut ist.
Die Obrigkeit trägt Rechenschaft vor Gott, dem höchsten Richter,
der kein Ansehen der Person kennt.
Aber auch vor dem Volk, das ihr die Macht verliehen hat,
damit es ihr Tun prüfen kann, wenn sie vom Recht abweicht.
So ist Rechenschaft das Band, das Macht und Verantwortung zusammenhält.
Der gerechte Amtsträger fürchtet die Rechenschaft nicht.
Er liebt sie, weil sie sein Gewissen reinigt und sein Werk bestätigt.
Er weiß, dass die Wahrheit sich nicht scheut, geprüft zu werden,
und dass Licht nur dem schadet, der im Dunkeln handelt.
Darum soll jede Verwaltung offen und klar sein,
damit niemand im Geheimen herrsche über das, was allen gehört.
Geheime Macht ist gefährlich; sie sucht selten das Recht,
sondern den Vorteil derer, die sie besitzen.
Öffentliche Verantwortung dagegen schafft Vertrauen und Frieden.
Die Rechenschaftspflicht betrifft nicht nur große Taten,
sondern auch den Gebrauch kleiner Dinge:
Zeit, Geld, Einfluss, Wort.
Denn Gott zählt nicht nach Menge, sondern nach Treue.
Und wer im Kleinen treu ist, wird auch im Großen bewährt sein.
Rechenschaft zu geben bedeutet nicht, sich zu rechtfertigen,
sondern sich prüfen zu lassen.
Sie ist kein Zeichen des Misstrauens,
sondern der Wahrheit.
Denn Macht ohne Kontrolle wird zur Versuchung,
und Kontrolle ohne Gerechtigkeit wird zur Tyrannei.
Darum soll jede Obrigkeit regelmäßig ihr Handeln prüfen lassen –
durch Gesetz, durch Rat, durch das Volk und durch das eigene Gewissen.
Wer das scheut, zeigt, dass er etwas zu verbergen hat.
Die höchste Rechenschaft aber ist jene vor Gott.
Kein Amt, kein Titel, keine Gewalt wird in jener Stunde bestehen,
in der jedes Herz offenbar wird.
Darum ist das Gewissen der erste Richter,
und das göttliche Gesetz die letzte Instanz.
Wer täglich Rechenschaft vor Gott ablegt,
braucht kein Gericht zu fürchten.
Denn er wird gereinigt, bevor er gerichtet wird,
und lebt in jener Freiheit,
die aus Treue und Wahrheit geboren ist.
Kapitel 35 – Über die Gefahr der Korruption und die Bewahrung der Lauterkeit im öffentlichen Leben
Korruption ist der Wurm, der die Wurzel der Gerechtigkeit zerfrisst.
Sie zerstört das Vertrauen des Volkes, macht das Gesetz zum Spott und verwandelt jedes Amt in einen Markt.
Wo Bestechung herrscht, verliert das Gemeinwesen seine Seele.
Korruption beginnt nicht mit großen Summen,
sondern mit kleinen Gefälligkeiten, mit Schmeichelei, mit Schweigen, wo man reden sollte.
Sie wächst im Verborgenen, bis sie das ganze Gefüge durchdringt.
Darum ist der erste Schritt zur Bewahrung des Rechts,
dass kein Amt, kein Urteil, kein Vertrag durch Vorteil erkauft werden darf.
Der Amtsträger soll weder Geschenke annehmen noch Versprechen geben,
die seine Unabhängigkeit schmälern.
Denn wer vom Urteil anderer abhängig ist, kann kein gerechtes Urteil fällen.
Und wer sich kaufen lässt, verkauft die Gerechtigkeit –
oft ohne zu wissen, dass er sie schon verloren hat.
Die Korruption nährt sich von Habsucht, Furcht und Ehrgeiz.
Habsucht sucht Gewinn, Furcht sucht Sicherheit, Ehrgeiz sucht Ansehen.
Doch alle drei verderben den Charakter, wenn sie nicht durch Gottesfurcht und Mäßigung gezügelt werden.
Denn ein Herz, das sich selbst zum Maß macht, ist leicht käuflich.
Die Bewahrung der Lauterkeit beginnt im Inneren.
Wer rein bleiben will, muss sich selbst misstrauen,
das eigene Herz prüfen und sich täglich fragen,
ob sein Tun dem Recht oder dem Vorteil dient.
Denn kein äußeres Gesetz kann den Bestechlichen bewahren,
wenn er innerlich schon seine Ehre verkauft hat.
Das Gemeinwesen soll Korruption nicht nur bestrafen,
sondern verhindern – durch klare Gesetze, durch öffentliche Kontrolle
und durch ein Beispiel, das von oben ausgeht.
Denn wo die Spitze verfault, folgt das Ganze.
Ein gerechter Herrscher wird darum selbst Maßstab sein:
arm an Eigennutz, reich an Gerechtigkeit.
Die Lauterkeit ist kein Schmuck, sondern die Grundlage des Dienstes.
Sie ist das Licht, das in dunklen Zeiten Orientierung gibt,
und das Schild, das den Gerechten schützt, wenn Neid und Intrige ihn angreifen.
Wer sie bewahrt, kann irren, aber nicht fallen.
Wer sie verliert, mag Erfolg haben, aber keinen Frieden.
Darum gilt:
Ein Volk, das sich bestechen lässt, wird unfrei;
eine Regierung, die sich kaufen lässt, ist verloren.
Doch wo Wahrheit und Lauterkeit herrschen,
bleibt das Recht stark und die Freiheit unantastbar.
Denn Gott selbst ist Zeuge jeder Tat,
Richter jedes Herzens und Beschützer derer,
die in Reinheit und Wahrheit dienen.
Kapitel 36 – Über die Bedeutung der öffentlichen Kontrolle und Rechenschaft des Staates
Kein Staat darf sich selbst genügen.
Denn Macht, die keiner Kontrolle unterliegt, wird bald zum Unrecht.
Darum hat Gott nicht nur Obrigkeiten eingesetzt, sondern auch Ordnungen,
durch die ihr Handeln geprüft, begrenzt und berichtigt werden kann.
Die öffentliche Kontrolle ist kein Zeichen des Misstrauens,
sondern Ausdruck des Rechts.
Sie erinnert die Obrigkeit daran, dass sie nicht über,
sondern unter dem Gesetz steht,
und dass ihr Auftrag nicht in der Herrschaft,
sondern im Dienst besteht.
Ein Staat, der sich dem Urteil seiner Bürger entzieht,
verfällt der Willkür.
Denn wo das Volk schweigen muss,
herrschen bald Täuschung und Gewalt.
Die öffentliche Rechenschaft hingegen erhält das Vertrauen
und macht sichtbar, dass Recht und Ordnung nicht Besitz der Mächtigen,
sondern Erbe aller sind.
Diese Kontrolle geschieht auf verschiedene Weise:
durch das Gesetz, das keine Ausnahmen duldet;
durch den Rat, der prüfen und mahnen darf;
durch die Gerichte, die auch gegen den Mächtigen urteilen müssen;
und durch das Volk, das in geordneten Formen seine Stimme erheben kann,
wenn Unrecht geschieht.
Ein gerechter Staat fürchtet die Kontrolle nicht.
Er öffnet seine Taten dem Licht und sucht Korrektur, bevor er fällt.
Denn wer sich prüfen lässt, bleibt wahr;
wer sich entzieht, verrät, dass er Schuld trägt.
Doch die Kontrolle muss selbst in Ordnung geschehen.
Sie darf nicht zum Werkzeug des Aufruhrs werden,
noch zur Bühne des Neides oder der Selbstsucht.
Denn wer aus Hass richtet, richtet nicht gerecht.
Darum soll auch die öffentliche Rechenschaft von Weisheit,
Maß und Gottesfurcht geleitet sein.
Die beste Kontrolle ist die, die auf Wahrheit gegründet ist
und auf Liebe zur Gerechtigkeit, nicht zur Macht.
Sie dient dem Frieden, nicht der Rache.
Und sie schützt sowohl die Obrigkeit vor Verfall
als auch das Volk vor Unterdrückung.
Ein Staat, der offen Rechenschaft gibt, bleibt stark,
denn das Licht, das ihn prüft, reinigt ihn.
Aber ein Staat, der alles verbirgt,
wird von innen zerfressen,
bis er an seiner eigenen Lüge zerbricht.
Darum gilt:
Wo das Recht öffentlich ist, bleibt das Volk frei;
wo das Recht im Dunkeln liegt, ist die Freiheit verloren.
Und Gott segnet die Nation,
die ihr Tun nicht vor ihm und nicht vor den Menschen verbirgt.
Kapitel 37 – Über die Bedeutung von Rechtsprechung und unabhängigen Gerichten
Die Rechtsprechung ist das Rückgrat der politischen Ordnung.
Denn wo kein gerechtes Gericht besteht,
da hat das Gesetz keinen Halt und das Volk keinen Schutz.
Gerichte sind das sichtbare Abbild des göttlichen Gerichts,
durch das Gott selbst inmitten der Menschen Gerechtigkeit übt.
Darum soll das Gericht frei, unparteiisch und unabhängig sein –
gebunden allein an Gesetz, Wahrheit und Gewissen.
Es darf weder durch Furcht noch durch Gunst,
weder durch Macht noch durch Bestechung gelenkt werden.
Denn der Richter ist nicht Diener des Herrschers,
sondern Diener des Rechts,
und das Recht steht über Fürsten und Volk gleichermaßen.
Die Würde des Gerichts liegt nicht in seiner Macht,
sondern in seiner Gerechtigkeit.
Ein einzelnes gerechtes Urteil wiegt mehr als ein Heer,
denn es erhält das Vertrauen des Volkes,
und Vertrauen ist die wahre Mauer jeder Stadt.
Richter sollen Männer und Frauen von bewährtem Geist,
klarer Vernunft und unbestechlicher Lauterkeit sein.
Sie sollen langsam im Urteil und schnell im Zuhören sein,
geduldig im Prüfen, fest im Entschluss.
Denn ein übereiltes Urteil ist wie ein ungezielter Pfeil –
es trifft selten das Ziel und oft den Unschuldigen.
Das Gericht ist der Ort, an dem der Schwache die Stimme bekommt,
die ihm die Macht verweigert.
Darum soll der Arme nicht gering geachtet
und der Mächtige nicht bevorzugt werden.
Denn Gerechtigkeit kennt keine Rangstufen,
sie erkennt nur Wahrheit und Unrecht.
Die Unabhängigkeit der Gerichte ist die Festung der Freiheit.
Wenn der Herrscher die Richter lenkt,
wird das Gesetz zu seinem Werkzeug,
und das Volk verliert den letzten Schutz vor Willkür.
Darum muss der Richter frei urteilen dürfen,
auch gegen die Obrigkeit, wenn sie das Recht verletzt.
Doch auch der Richter steht unter Gott.
Er soll nicht hochmütig werden, weil ihm Urteil gegeben ist,
sondern demütig bleiben, weil er selbst gerichtet wird.
Denn das Gericht auf Erden ist nur ein Schatten des himmlischen Gerichts,
und kein Mensch kann richten,
ohne selbst eines Tages Rechenschaft zu geben.
Wenn das Gericht gerecht ist,
ruht Friede auf dem Land.
Denn das Volk, das Recht empfängt,
fürchtet keine Gewalt.
Aber wenn das Gericht lügt,
dann klagt der Himmel,
und das Land wird zur Beute der Starken.
Darum ist die unabhängige Rechtsprechung
nicht nur eine Einrichtung der Politik,
sondern eine heilige Pflicht,
die Gott selbst geboten hat,
damit Wahrheit und Gerechtigkeit unter den Menschen wohnen.
Kapitel 38 – Über das Verhältnis zwischen Richter, Gesetz und Gewissen
Der Richter steht an der Grenze zwischen dem geschriebenen Gesetz und dem lebendigen Gewissen.
Er muss das Wort des Gesetzes verstehen, ohne seinen Geist zu verraten,
und das Gewissen hören, ohne das Recht zu beugen.
Denn Gerechtigkeit ist nicht bloße Anwendung von Buchstaben,
sondern Erkenntnis dessen, was recht ist vor Gott und den Menschen.
Das Gesetz ist der äußere Maßstab, das Gewissen der innere.
Ohne Gesetz wird das Gewissen blind;
ohne Gewissen wird das Gesetz grausam.
Darum soll der Richter beide vereinen,
damit das Urteil nicht kalt, sondern gerecht,
nicht willkürlich, sondern weise sei.
Das Gesetz gibt Ordnung,
aber das Gewissen gibt Maß.
Denn kein Gesetz kann alle Fälle des Lebens umfassen,
und kein Mensch kann sich dem Urteil entziehen,
das in seinem Herzen spricht.
Darum ist das Gewissen die erste Instanz jeder Rechtsprechung,
und das Gesetz ihre öffentliche Bestätigung.
Der Richter soll nicht wie ein Schreiber urteilen,
der nur liest, was steht,
sondern wie ein Wächter, der erkennt, was gemeint ist.
Er soll prüfen, was der Gesetzgeber wollte,
und ob die Anwendung des Gesetzes im Einzelfall
dem Sinn der Gerechtigkeit entspricht.
Denn das Gesetz ist nicht Gott, sondern Werkzeug Gottes.
Doch das Gewissen darf nicht zur Willkür werden.
Es muss sich selbst dem göttlichen Recht unterordnen,
denn nur ein Gewissen, das Gott fürchtet, ist frei von Selbsttäuschung.
Wer sich auf das Gewissen beruft, aber gegen die Wahrheit handelt,
lügt vor Gott und Menschen zugleich.
Darum ist die höchste Aufgabe des Richters,
sein eigenes Herz zu prüfen, bevor er über andere urteilt.
Er soll sich fragen, ob sein Urteil von Zorn oder Gunst,
von Stolz oder Furcht getrübt wird.
Denn der Richter, der nicht gerecht gegen sich selbst ist,
kann auch anderen kein gerechtes Urteil sprechen.
Wenn Gesetz und Gewissen in Eintracht stehen,
entsteht wahre Gerechtigkeit:
Das Gesetz bewahrt die Ordnung,
das Gewissen den Geist der Barmherzigkeit.
Dann wird das Gericht zum Ort des Friedens,
und das Urteil trägt den Stempel der Wahrheit.
Doch wenn das Gesetz ohne Gewissen herrscht,
wird es zum Werkzeug der Tyrannei;
und wenn das Gewissen ohne Gesetz richtet,
wird es zum Deckmantel des Irrtums.
Darum gilt:
Gesetz und Gewissen müssen sich gegenseitig läutern,
damit das eine nicht versteinert
und das andere nicht verdirbt.
So dient der Richter beiden –
dem geschriebenen Wort und der inneren Stimme –,
doch über beiden steht Gott,
der allein Herz und Werk vollkommen richtet.
Kapitel 39 – Über Barmherzigkeit und Mäßigung im Gericht
Barmherzigkeit ist die Schwester der Gerechtigkeit.
Ohne sie wird das Urteil hart, das Gesetz kalt und die Ordnung grausam.
Denn der Mensch ist schwach, und kein Gericht soll so handeln,
als wäre es übermenschlich oder ohne Fehlbarkeit.
Die Gerechtigkeit wahrt das Recht,
die Barmherzigkeit bewahrt den Menschen.
Beide müssen einander dienen,
damit Recht nicht zur Rache und Gnade nicht zur Nachsicht wird.
Barmherzigkeit im Gericht bedeutet nicht,
das Gesetz zu verwerfen oder die Schuld zu leugnen,
sondern das Maß der Strafe an die Umstände zu binden,
die Reue zu achten und zwischen Bosheit und Schwachheit zu unterscheiden.
Denn nicht jede Übertretung kommt aus bösem Willen,
und nicht jede Strafe heilt.
Der Richter soll also den Geist des Gesetzes höher achten als den Buchstaben,
und bedenken, dass das Ziel jeder Strafe
nicht der Untergang, sondern die Besserung des Schuldigen ist.
Denn Gott selbst richtet mit Gerechtigkeit,
aber er verzögert das Urteil um der Gnade willen.
Mäßigung ist der Wächter der Barmherzigkeit.
Sie hindert, dass Milde in Nachlässigkeit übergeht,
und sorgt, dass Strenge nicht zur Grausamkeit wird.
Darum soll der Richter in allem Maß halten –
in Worten, im Zorn, im Urteil, in der Strafe.
Ein gerechtes Gericht erkennt,
wann Barmherzigkeit angebracht ist
und wann Nachsicht das Unrecht stärkt.
Denn wer immer verzeiht, fördert das Böse,
und wer niemals verzeiht, vernichtet den Frieden.
So wird das Gericht zur Schule der Weisheit,
wenn es den Sünder straft, um ihn zu heilen,
und den Gerechten schützt, um ihn zu stärken.
Dann wird das Gesetz nicht gefürchtet,
sondern geachtet –
und das Volk liebt die Obrigkeit,
weil sie gerecht ist und zugleich menschlich.
Barmherzigkeit ohne Maß ist Schwäche,
Gerechtigkeit ohne Gnade ist Stein.
Darum soll der Richter im Geist Gottes richten,
der gerecht ist und doch vergibt.
Denn wer anderen Gnade gewährt,
wird selbst Barmherzigkeit empfangen.
Kapitel 40 – Über den Missbrauch von Gnade und Vergebung
Wie Gnade eine Zierde des Gerichts ist,
so wird sie zum Unheil, wenn sie ohne Wahrheit geübt wird.
Denn was Gott zur Heilung gegeben hat,
verwandelt der Mensch leicht in eine Entschuldigung für das Böse.
Gnade darf nicht Verwirrung des Rechts bedeuten,
noch Vergebung den Schutz des Schuldigen.
Denn wo die Gnade das Gesetz aufhebt,
wird das Unrecht frech und das Volk verzweifelt.
Eine Regierung, die aus falscher Milde handelt,
zerstört die Achtung vor sich selbst und dem Gesetz zugleich.
Der Missbrauch der Gnade zeigt sich,
wenn Schuld aus Gunst vergeben wird,
wenn Strafe vom Reichtum abhängt,
wenn der Schuldige gelobt und der Gerechte übergangen wird.
So entsteht Ungleichheit,
und die Gnade, die allen dienen soll,
wird zur Waffe der Mächtigen.
Vergebung ist heilig,
aber sie darf nicht ohne Buße geschehen.
Denn wo keine Reue ist,
dort ist Vergebung ein Spott über Gott und das Recht.
Gnade, die dem Unbußfertigen gewährt wird,
ist nicht Gnade, sondern Schwäche.
Darum muss der Herrscher prüfen,
ob der Schuldige umkehrt,
und der Richter bedenken,
ob Gnade das Gute fördert oder das Böse stärkt.
Denn wer zu früh vergibt,
verführt andere zum Unrecht.
Auch die Kirche soll weise in der Gnade sein.
Wenn sie vergibt, wo Gott bindet,
wird sie zur Mittäterin des Unrechts.
Aber wenn sie nicht vergibt, wo Reue ist,
verleugnet sie das Evangelium.
Darum muss jede Gnade dem göttlichen Maß folgen –
nicht zu hart, nicht zu weich,
sondern im Geist der Wahrheit.
Die Obrigkeit soll Gnade üben wie ein Arzt:
nicht um das Übel zu dulden,
sondern um die Wunde zu heilen.
Denn die höchste Form der Gnade ist nicht Straferlass,
sondern Wiederherstellung.
So bleibt Gnade ein Werk der Gerechtigkeit,
nicht ihr Gegensatz.
Sie richtet nicht gegen das Recht,
sondern erfüllt es in Liebe.
Und wo Gnade und Wahrheit sich begegnen,
da wird Frieden geboren,
und das Gesetz lebt in Herz und Tat zugleich.
Kapitel 41 – Über Frieden, Ordnung und Eintracht als Frucht der Gerechtigkeit
Frieden ist die Krone der Gerechtigkeit.
Denn wo das Recht herrscht, da endet der Streit,
und wo Ordnung ist, da wächst Vertrauen.
Ohne Gerechtigkeit gibt es keinen wahren Frieden,
sondern nur Schweigen der Furcht und Ruhe der Unterdrückung.
Frieden entsteht nicht durch Waffen oder Verträge allein,
sondern durch Eintracht im Geist und im Willen.
Er ist die Frucht einer gerechten Ordnung,
in der jeder sein Recht hat und niemand das des anderen verletzt.
Darum kann kein Friede bestehen,
wo das Recht gebrochen und die Wahrheit verschwiegen wird.
Ordnung ist die Gestalt des Friedens.
Sie bewahrt das Miteinander der Glieder des Gemeinwesens
und lenkt jede Kraft an ihren Platz.
Wie der Körper nicht leben kann ohne das rechte Maß seiner Glieder,
so kann das Volk nicht bestehen ohne geordnete Unterordnung und Zusammenarbeit.
Eintracht aber ist die Seele des Friedens.
Sie verbindet die Verschiedenen, ohne sie zu vermischen,
und lässt viele Willen ein gemeinsames Ziel suchen.
Doch Eintracht kann nicht durch Zwang entstehen,
sondern nur aus gegenseitigem Vertrauen und aus Liebe zur Wahrheit.
Die Obrigkeit ist Hüterin des Friedens,
doch der wahre Friede beginnt im Herzen jedes Bürgers.
Denn kein Gesetz kann Eintracht erzwingen,
wenn Hass, Neid und Misstrauen in den Herzen herrschen.
Darum muss die Politik stets auch an der Wurzel ansetzen –
am Charakter und an der Tugend des Menschen.
Der gerechte Friede ist nicht der Zustand der Ruhe,
sondern der Zustand der Ordnung.
Er duldet kein Unrecht, auch wenn es bequem ist,
und er lässt das Böse nicht gewähren,
selbst wenn es Frieden verspricht.
Denn Frieden ohne Wahrheit ist Täuschung,
und Ordnung ohne Gerechtigkeit ist Knechtschaft.
Darum soll die Obrigkeit den Frieden schützen,
aber nicht um jeden Preis.
Sie soll das Schwert führen, um das Böse zu bändigen,
doch es niederlegen, sobald Recht und Maß wiederhergestellt sind.
Denn Gewalt ist kein Fundament des Friedens,
sondern nur Werkzeug seiner Bewahrung.
So werden Frieden, Ordnung und Eintracht
zur sichtbaren Frucht der Gerechtigkeit.
Sie sind das Zeichen, dass Gott mitten unter den Menschen wohnt,
und die höchste Ehre eines Reiches,
das nach seinem Gesetz regiert wird.
Kapitel 42 – Über die Vollendung der politischen Ordnung und ihr Ziel in Gott
Alle menschliche Ordnung ist unvollkommen, solange sie nur das Irdische sucht.
Denn kein Gesetz, keine Regierung und kein Volk kann bestehen,
wenn es sich nicht auf den Ursprung alles Rechts gründet – auf Gott selbst.
Die Politik ist nicht ein Werk bloßer Klugheit,
sondern Teil der göttlichen Ordnung,
durch die das menschliche Leben erhalten, geordnet und geheiligt wird.
Darum findet die politische Gemeinschaft ihre Vollendung nicht in Macht,
sondern in Gerechtigkeit;
nicht im Wohlstand,
sondern in der Treue zu Gottes Willen.
Das höchste Ziel der Politik ist der Friede –
nicht der äußere allein,
sondern der, der aus Wahrheit und Gerechtigkeit geboren wird.
Dieser Friede ist nicht das Werk der Menschen,
sondern die Frucht göttlicher Gnade,
wenn die Menschen nach dem Gesetz Gottes leben
und ihre Gemeinschaft im Licht seiner Wahrheit bauen.
So soll die Obrigkeit Gott fürchten,
das Volk seine Gebote ehren
und beide gemeinsam die Ordnung bewahren,
die nicht Menschen erdacht,
sondern Gott selbst gestiftet hat.
Denn jedes Reich, das sich von ihm löst,
wird zerfallen,
auch wenn es groß und stark erscheint.
Darum richtet sich der Sinn jeder guten Regierung auf Gott,
den Ursprung des Rechts und das Ende aller Dinge.
Er allein ist der wahre König,
dem alle Macht dient,
von dem alle Ordnung ausgeht
und zu dem alles zurückkehrt.
Wenn Menschen so regieren,
wie sie selbst von Gott regiert werden wollen,
entsteht jene Gemeinschaft,
in der Freiheit und Gerechtigkeit einander umschließen.
Dann wird das irdische Gemeinwesen
zum Abbild der göttlichen Ordnung –
ein Reich des Rechts,
des Friedens
und der Liebe.
So endet die Lehre vom Ursprung der Politik:
Der Staat ist Gottes Werkzeug,
das Recht sein Maßstab,
die Gerechtigkeit sein Zweck
und der Friede seine Krone.
Alles, was nicht in Gott gegründet ist, vergeht;
doch was in ihm steht,
bleibt in Ewigkeit.
Quellenvermerk
Johannes Althusius: Politica Methodice Digesta, atque exemplis sacris et profanis illustrata.
Erstveröffentlichung: Herborn 1603.
Kritische Edition: Friedrich von Somnitz (Hrsg.): Politica Methodice Digesta.
Aalen: Scientia Verlag, 1981 (Nachdruck der Ausgabe Herborn 1614).
Deutsche Übersetzung: Andreas Schnebel (Hrsg.), Politik methodisch geordnet – Die Theologie der Freiheit nach Johannes Althusius (1603).
Unveränderte, textnahe Übersetzung des historischen Haupttextes auf Grundlage der Herborner Ausgabe von 1614.
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