đź•® Magdeburger Bekenntnis (1550)

Bekentnis, Unterricht und Vermahnung der Pfarrherrn und Prediger der christlichen Kirchen zu Magdeburg
– nach der deutschen Originalausgabe von 1550, modernisierte Orthographie und redaktionelle Glättung.
(Fortlaufende deutsche Übersetzung der lateinischen Fassung– Teil II)

Das Bekenntnis der Pfarrer und Prediger der christlichen Kirchen zu Magdeburg

Artikel I – Von der Kirche

Wir glauben, lehren und bekennen aus der heiligen Schrift,
dass es eine einzige, heilige, christliche Kirche auf Erden gibt,
die der Leib Christi ist, dessen Haupt allein Christus ist.

Diese Kirche wird nicht durch weltliche Gewalt oder menschliche Ordnung regiert,
sondern allein durch das Wort Gottes und den Heiligen Geist.
Sie ist die Versammlung aller wahren Gläubigen,
die das reine Evangelium Christi hören und ihm im Glauben folgen.

Darum ist die Kirche da, wo das Evangelium lauter gepredigt
und die Sakramente nach der Einsetzung Christi recht gereicht werden.
Wo dies nicht geschieht, da ist keine wahre Kirche,
mag auch der äußere Schein noch so prächtig sein.

Artikel II – Vom Dienst und Amt in der Kirche

Christus hat in seiner Kirche den Predigtdienst eingesetzt,
damit sein Evangelium öffentlich verkündigt
und die Sakramente nach seiner Einsetzung verwaltet werden.

Niemand soll sich selbst in dieses Amt drängen oder eigenmächtig dazu greifen,
sondern recht berufen werden durch die Gemeinde oder die Obrigkeit,
wie der Apostel sagt: „Wie sollen sie predigen, wenn sie nicht gesandt werden?“ (Röm 10,15).

Dieses Amt ist kein weltliches Regiment,
sondern ein geistlicher Dienst zur VerkĂĽndigung des Wortes,
zur Ermahnung und Tröstung der Gewissen,
zur Zurechtweisung und zum Gebet fĂĽr das Volk Gottes.

Darum darf der Prediger keine weltliche Macht ausĂĽben,
sondern soll in Demut dienen, treu lehren
und allein Gott verantwortlich sein in seinem Dienst.

Artikel III – Von der Rechtfertigung des Menschen

Wir glauben, dass der Mensch vor Gott gerecht wird
allein durch den Glauben an unseren Herrn Jesus Christus
und nicht durch eigene Werke, Verdienste oder menschliche Satzungen.

Denn es steht geschrieben: „Der Gerechte wird aus Glauben leben.“ (Röm 1,17).
Diese Rechtfertigung ist ein Geschenk der Gnade Gottes,
nicht der Lohn unserer Taten,
sondern die Wirkung des Blutes Christi,
der um unserer SĂĽnden willen gestorben
und um unserer Rechtfertigung willen auferstanden ist.

Darum verwerfen wir alle Lehre,
die das Vertrauen auf Christus schwächt
oder die Verdienste des Menschen hinzufĂĽgt,
sei es durch Werke, Zeremonien oder menschliche Satzungen.

Artikel IV – Von den heiligen Sakramenten

Wir bekennen, dass die Sakramente heilige, göttliche Handlungen sind,
von Christus selbst eingesetzt,
um uns durch sichtbare Zeichen das Evangelium zu versiegeln
und die Gnade Gottes zu bekräftigen.

Es sind zwei Sakramente, die Christus der Kirche gegeben hat:
die heilige Taufe und das Abendmahl seines Leibes und Blutes.

In der Taufe wird der alte Mensch ertränkt
und der neue Mensch zum Leben erweckt.
Im heiligen Abendmahl werden wahrhaft
Leib und Blut Christi gegenwärtig gegeben und empfangen
zur Stärkung des Glaubens und zur Vergebung der Sünden.

Darum verwerfen wir sowohl die Schwärmer,
die die Gegenwart Christi im Sakrament leugnen,
als auch die Papisten,
die aus den Sakramenten ein Werk machen,
das ohne Glauben nĂĽtze sein soll.

Artikel V – Von der christlichen Freiheit

Wir glauben und bekennen,
dass Christus uns zur Freiheit berufen hat,
nicht zu fleischlicher ZĂĽgellosigkeit,
sondern zur Befreiung des Gewissens
von menschlichen Satzungen,
die nicht im Wort Gottes gegrĂĽndet sind.

Darum soll kein Mensch oder Amt der Kirche
das Gewissen mit Geboten binden,
die Gott nicht befohlen hat.

Christus allein ist der Herr des Gewissens;
was er gebietet, das soll man halten,
und was er nicht gebietet, das soll niemand erzwingen.

Diese Freiheit des Gewissens ist ein kostbares Gut,
durch Christi Blut erworben;
wer sie raubt, greift in Christi Herrschaft ein
und macht Menschen zu Herren ĂĽber andere Menschen,
was Gott verboten hat.

Artikel VI – Von der Obrigkeit

Wir glauben, lehren und bekennen,
dass die weltliche Obrigkeit von Gott eingesetzt ist,
um in der Welt Ordnung, Friede und Recht zu erhalten.

Sie trägt das Schwert nicht vergeblich,
sondern ist Dienerin Gottes, den Guten zum Schutz
und den Bösen zur Strafe, wie der Apostel schreibt (Röm 13,4).

Darum sollen die Christen der Obrigkeit gehorchen,
sie ehren, fĂĽr sie beten und in allem willig dienen,
solange sie in ihrem Amt nach Gottes Ordnung handelt.

Wenn aber die Obrigkeit das Gute verfolgt,
die Kirche bedrĂĽckt und den Glauben hindert,
so handelt sie nicht mehr als Dienerin Gottes,
sondern als Werkzeug des Teufels.

Dann ist der Christ nicht mehr verpflichtet,
solchen Befehlen zu folgen,
denn niemand darf dem Menschen gehorchen,
wenn er dadurch Gott ungehorsam wĂĽrde (Apg 5,29).

Artikel VII – Vom Verlust der göttlichen Legitimation

Wenn eine Obrigkeit das göttliche Recht zerstört
und die rechte Lehre verbietet,
verliert sie das Amt, das Gott ihr gegeben hat,
und wird eine Tyrannei.

Denn das Amt der Obrigkeit ist nicht, Unrecht zu schĂĽtzen,
sondern das Gute zu fördern.

Wenn sie aber das Gegenteil tut,
so widersteht sie selbst der Ordnung Gottes
und kann sich nicht mehr auf Gottes Autorität berufen.

Darum darf man ihr nicht in allem folgen,
sondern muss unterscheiden zwischen dem, was Gott geboten,
und dem, was Menschen erdacht haben.

Ein solches Unterscheiden ist kein Aufruhr,
sondern wahrer Gehorsam gegen Gott.

Artikel VIII – Von der Pflicht der niederen Obrigkeit

Wenn die höhere Obrigkeit gegen Gott handelt,
so ist die niedere Obrigkeit – wie Räte, Fürsten und Städte –
verpflichtet, ihre Untertanen zu schĂĽtzen
und dem Unrecht zu widerstehen.

Denn auch sie ist von Gott eingesetzt,
nicht um Menschen, sondern Gott zu dienen.

Wenn sie in solcher Not schweigt oder nachgibt,
wird sie mitschuldig am Unrecht der Tyrannei.

Darum ist es ihre Pflicht,
die Kirche und die unschuldigen Christen zu verteidigen,
selbst wenn die höhere Obrigkeit dagegen tobt.

Dies ist kein Aufstand, sondern
Gehorsam gegen den höchsten Herrn,
der gebietet, das Gute zu schützen und das Böse zu strafen.

Artikel IX – Vom Beruf und vom Gewissen

Gott hat jedem Menschen seinen Beruf gegeben,
in dem er ihm dienen soll.

Darum ist jeder in seinem Amt verantwortlich,
Gottes Gebot zu halten und Unrecht zu meiden.

Ein Prediger soll die Wahrheit verkĂĽnden,
auch wenn er dafĂĽr verfolgt wird.

Ein Richter soll Recht sprechen,
auch wenn es ihm Nachteile bringt.

Ein Rat oder FĂĽrst soll die Untertanen schĂĽtzen,
auch wenn darĂĽber Streit entsteht.

Wer sein Amt vernachlässigt,
weil er Menschen mehr fĂĽrchtet als Gott,
wird schuldig an der SĂĽnde anderer.

Darum soll jeder Christ
sein Gewissen allein nach Gottes Wort richten
und kein Gebot halten, das gegen dieses Wort steht.

Artikel X – Vom Kreuz und Leiden der Christen

Wir bekennen,
dass es Gottes Ordnung ist,
dass seine Kirche in dieser Welt
Verfolgung und Kreuz tragen muss.

Alle, die fromm leben wollen in Christus Jesus,
mĂĽssen Verfolgung leiden (2 Tim 3,12).

Darum sollen Christen nicht meinen,
sie könnten das Evangelium behalten
und doch der Welt gefallen.

Sie sollen vielmehr bereit sein,
um Christi willen Schmach, Verlust, Gefängnis und Tod zu tragen,
wie ihre Väter und Märtyrer es getan haben.

Denn wer mit Christus leidet,
wird auch mit ihm herrschen (2 Tim 2,12).

Diese Hoffnung tröstet und stärkt die Gläubigen,
dass kein Leid vergeblich ist,
sondern alles zum Guten dient denen,
die Gott lieben.

Artikel XI – Von der Geduld und Standhaftigkeit der Christen

Wir bekennen, dass die Gläubigen in dieser Welt viel Anfechtung, Verfolgung und Trübsal erleiden müssen,
wie Christus selbst sagt: „In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ (Joh 16,33).

Darum sollen Christen nicht verzagen,
wenn sie um des Evangeliums willen Ungemach leiden,
sondern sollen geduldig und standhaft bleiben im Glauben,
wissend, dass die TrĂĽbsal Geduld bringt,
die Geduld Bewährung, die Bewährung Hoffnung,
und die Hoffnung nicht zuschanden wird (Röm 5,3–5).

Gott prĂĽft seine Kinder, wie Gold im Feuer,
und macht sie durch Leiden fest,
damit sie nicht auf Menschen, sondern auf ihn vertrauen.

So wie das Kreuz Christus zur Herrlichkeit fĂĽhrte,
so fĂĽhrt es auch seine Glieder zur Krone des Lebens.

Darum sollen wir das Kreuz nicht fliehen,
sondern in Geduld tragen,
im Vertrauen, dass der Herr am Ende alles wohl macht.

Artikel XII – Von der Hoffnung auf Gottes Eingreifen

Wir glauben, dass Gott, der Herr der Geschichte,
seine Kirche nicht verlässt,
sondern sie zu seiner Zeit errettet.

Wie er einst Israel aus der Hand des Pharao fĂĽhrte,
wie er Daniel aus der Löwengrube,
die drei Männer aus dem Feuerofen,
und Petrus aus dem Gefängnis befreite,
so wird er auch seine Gläubigen in der rechten Stunde erlösen.

Darum sollen wir auf Gottes Hilfe hoffen
und uns nicht auf menschliche Stärke verlassen.

Denn es ist besser, auf den Herrn zu vertrauen,
als sich auf Fürsten zu stützen (Ps 118,8–9).

Wenn die Kirche klein und verachtet ist,
so bleibt doch Gottes Wort groß und mächtig.

Er kann in einem Augenblick
die Räte der Tyrannen zunichtemachen
und den Übermut der Mächtigen stürzen.

Darum trösten wir uns,
dass Gott selbst fĂĽr seine Wahrheit streitet
und sie in Ewigkeit erhält.

Artikel XIII – Vom öffentlichen Bekenntnis des Glaubens

Es ist Pflicht eines jeden Christen,
den Glauben an Christus nicht zu verleugnen,
sondern ihn frei zu bekennen,
auch wenn Gefahr, Verlust oder Tod drohen.

Denn Christus spricht:
„Wer mich bekennt vor den Menschen,
den will ich auch bekennen vor meinem Vater im Himmel;
wer mich aber verleugnet vor den Menschen,
den will ich auch verleugnen vor meinem Vater im Himmel.“ (Mt 10,32–33).

Darum ist es verboten,
etwas zu tun oder zu dulden,
was den Schein hat, als verleugne man Christus
oder stimme dem Götzendienst zu.

Auch wenn man dadurch äußerlich Ruhe hätte,
so wäre es doch ein trügerischer Friede,
der den Zorn Gottes heraufbeschwört.

Denn wer das Böse duldet,
wird daran mitschuldig.

Darum sollen alle Christen,
die Gott fĂĽrchten,
in Wahrheit und Klarheit bekennen
und nicht mit dem Mund verleugnen,
was sie im Herzen glauben.

Artikel XIV – Schlussartikel – Vom Gericht Gottes und vom Ende

Wir glauben und bekennen,
dass Christus, unser Herr, wiederkommen wird,
zu richten die Lebenden und die Toten,
und dass alle Menschen vor seinem Thron erscheinen mĂĽssen,
um Rechenschaft zu geben ĂĽber das,
was sie im Leben getan haben.

Darum sollen wir mit Furcht und Zittern
unsere Zeit hier gebrauchen,
treu im Beruf, standhaft im Bekenntnis,
und in allem Gott die Ehre geben.

Denn alle menschliche Herrlichkeit vergeht,
alle Reiche fallen,
aber das Wort des Herrn bleibt in Ewigkeit (Jes 40,8).

Wer hier Gott verleugnet,
wird dort keinen Bestand haben;
wer aber in Treue bleibt bis in den Tod,
dem wird die Krone des Lebens gegeben (Offb 2,10).

So befehlen wir uns, unsere Stadt und alle Gläubigen
der Gnade Gottes,
der mächtig ist, uns zu stärken und zu erhalten
bis ans Ende.

Ihm sei Ehre, Lob und Dank
von nun an bis in Ewigkeit.
Amen.


Unterricht, wie weit sich der Gehorsam der Untertanen gegen ihre Obrigkeit erstrecke

Einleitung

Nachdem wir im vorigen Unterricht angezeigt haben,
dass ein Christ niemandem ungehorsam sein darf,
es sei denn, dass er dadurch Gott selbst verleugnen mĂĽsste,
so wollen wir nun aus der Schrift zeigen,
wie weit sich der Gehorsam gegen die Obrigkeit erstrecken soll,
damit niemand die göttliche Ordnung missbrauche,
weder zur Auflehnung noch zur UnterdrĂĽckung des Glaubens.

Denn wir wissen, dass viele in diesen letzten Zeiten
unter dem Namen der Obrigkeit
die Kirche Christi bedrängen,
Gottes Wort verbieten
und die Gewissen mit Menschengeboten fesseln.

Solchem Missbrauch wollen wir wehren
durch das helle Licht der Schrift,
damit jedermann wisse,
was er Gott, was er der Obrigkeit schuldig sei.

Erstes Lehrstück – Von der göttlichen Stiftung der Obrigkeit

Die Obrigkeit ist ein göttliches Werk und eine gute Ordnung,
weil Gott selbst sie eingesetzt hat
zum Schutz des Guten und zur Strafe des Bösen.

Darum heißt es (Röm 13,1–2):
„Es ist keine Obrigkeit außer von Gott;
die vorhandenen sind von Gott eingesetzt.“

Dies Wort gilt von der Obrigkeit insofern,
als sie ihre göttliche Bestimmung erfüllt.
Denn Gott hat sie nicht geschaffen,
damit sie seine Gebote aufhebe oder sein Reich zerstöre,
sondern damit sie Friede und Gerechtigkeit erhalte.

Wo die Obrigkeit das Gute schĂĽtzt,
da ist sie Dienerin Gottes.
Wo sie das Böse fördert,
da widersteht sie Gott und ist kein Werkzeug des Guten mehr.

Zweites Lehrstück – Von der Grenze des Gehorsams

Weil die Obrigkeit von Gott ist,
soll man ihr gehorchen,
aber nur so weit, wie sie Gott gehorcht.

Wenn sie dagegen etwas befiehlt,
was wider Gottes Gebot ist,
so darf man ihr nicht folgen,
denn Gott ist höher als alle Menschen.

So lehrt die Schrift:
„Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ (Apg 5,29).
Und wieder:
„Fürchtet Gott, ehrt den König.“ (1 Petr 2,17).

Der Apostel verbindet beides,
damit wir wissen, dass die Ehre des Königs
nicht ĂĽber die Furcht Gottes gestellt werden darf.

Darum sĂĽndigt der,
der der Obrigkeit in Dingen gehorcht,
die wider Gott sind,
und macht sich schuldig an derselben Tyrannei.

Drittes Lehrstück – Von der Unterscheidung zwischen Obrigkeit und Tyrannei

Weil viele aus Unwissenheit
jede Macht Obrigkeit nennen,
mĂĽssen wir unterscheiden,
was rechte Obrigkeit ist und was Tyrannei.

Rechte Obrigkeit ist die,
die nach Gottes Ordnung handelt
und das Gute schĂĽtzt.

Tyrannei aber ist,
wenn jemand das Amt der Obrigkeit missbraucht,
um Unrecht zu tun,
die Kirche zu bedrĂĽcken
und die Freiheit des Evangeliums zu zerstören.

Denn wie ein Räuber kein Richter ist,
obwohl er ein Schwert trägt,
so ist auch ein gottloser FĂĽrst
keine rechte Obrigkeit,
obwohl er auf dem Thron sitzt.

Darum darf man Tyrannei nicht fĂĽr Obrigkeit halten,
noch ihre Befehle als göttlich achten.
Denn Gott ist kein Urheber des Bösen,
sondern des Guten.

Unterricht, wie weit sich der Gehorsam der Untertanen gegen ihre Obrigkeit erstrecke

Viertes Lehrstück – Vom Verhalten der Untertanen unter gottloser Herrschaft

Wenn eine Obrigkeit gottlos wird und das Gute verfolgt,
so soll der Christ dennoch nicht mit Gewalt oder Aufruhr antworten,
sondern im Glauben standhaft bleiben
und lieber leiden als sĂĽndigen.

Denn Christus und die Apostel haben gelehrt,
dass man um des Evangeliums willen
Ungerechtigkeit ertragen soll,
bis Gott selbst Hilfe schafft.

Doch dieses Leiden hebt die Pflicht nicht auf,
das Böse zu nennen, was es ist,
und die Wahrheit zu bekennen,
auch wenn es Strafe kostet.

Darum sollen Christen
das Unrecht nicht fĂĽr Recht halten,
noch das Böse gut nennen,
sondern sich absondern von allem,
was wider Gottes Gebot ist.

So hat Daniel unter Nebukadnezar
dem König gedient,
aber doch das göttliche Gebot über alles gestellt.
Als der König befahl, ein Götzenbild anzubeten,
widersetzten sich Daniel und seine Freunde,
nicht mit Waffen,
sondern mit dem Bekenntnis der Wahrheit
und mit der Bereitschaft, zu leiden.

So sollen auch wir handeln,
nicht aus Trotz,
sondern aus Gehorsam gegen Gott.

Fünftes Lehrstück – Von der Pflicht der niederen Obrigkeit

Wenn die höhere Obrigkeit wider Gott handelt
und ihre Macht zum Verderben gebraucht,
so sind die niederen Obrigkeiten – Fürsten, Räte, Bürgermeister –
verpflichtet, ihre Untertanen zu schĂĽtzen.

Denn sie tragen das Schwert nicht nur zu ihrem Nutzen,
sondern, wie Paulus sagt, „zum Schutz der Guten
und zur Strafe der Bösen“. (Röm 13,4)

Wenn also die höhere Gewalt selbst das Böse tut
und die Guten verfolgt,
so fällt die Pflicht, ihr zu dienen, dahin,
und die Verantwortung, dem Guten zu dienen,
bleibt bestehen.

Darum soll die niedere Obrigkeit
den höheren Gewalten widerstehen,
nicht aus Aufruhr,
sondern aus Gehorsam gegen Gott.

Denn Gott hat beide Ordnungen eingesetzt –
die höhere und die niedere –
und keiner ist befohlen, Unrecht zu fördern.

So wie ein Richter in einem Reich
den Befehl seines Königs nicht ausführen darf,
wenn dieser wider Gottes Gesetz gebietet,
so darf auch kein FĂĽrst oder Rat
die Zerstörung der Kirche fördern,
ohne selbst schuldig zu werden.

Darum ist es nicht nur erlaubt,
sondern geboten,
dass die niedere Obrigkeit
die Kirche beschĂĽtze,
wenn die höhere sie verfolgt.

Sechstes Lehrstück – Vom Unterschied zwischen Leiden und Widerstehen

Manche meinen,
dass Christen nur leiden,
aber niemals widerstehen dĂĽrften.
Das ist ein Irrtum.

Denn Leiden und Widerstehen
sind zwei verschiedene Dinge,
die beide ihren Ort haben.

Ein Prediger, der keine Gewalt hat,
soll leiden und bekennen.
Ein FĂĽrst oder Rat,
dem Gott Gewalt gegeben hat,
soll das Böse wehren,
damit nicht Unrecht herrsche.

Wenn er es unterlässt,
wird er schuldig am Blut der Unschuldigen,
wie Hesekiel spricht:
„Wenn du den Gottlosen nicht warnst,
so fordere ich sein Blut von deiner Hand.“ (Hes 33,8)

Darum ist es göttlicher Dienst,
wenn die Obrigkeit ihre Macht gebraucht,
um das Evangelium zu schĂĽtzen
und die Tyrannei zu hindern.

Doch soll auch dies
mit rechter Ordnung geschehen,
nicht aus Hass, Rachsucht oder Gier,
sondern in Liebe und Furcht Gottes.

Wenn Widerstand aus Zorn oder Eigenmut geschieht,
ist er sĂĽndig;
wenn er aber aus Beruf und Pflicht geschieht,
ist er ein Werk des Gehorsams.

Unterricht, wie weit sich der Gehorsam der Untertanen gegen ihre Obrigkeit erstrecke

Siebentes Lehrstück – Vom Gewissen und seiner Freiheit

Das Gewissen ist ein Werk Gottes im Menschen,
durch das er die Stimme des Gesetzes hört und den Willen Gottes erkennt.

Darum hat kein Mensch Macht ĂĽber das Gewissen,
sondern nur Gott allein.

Was Gott geboten oder verboten hat,
das bindet das Gewissen;
was aber Menschen selbst erdichten,
kann das Gewissen nicht binden.

Wenn also eine Obrigkeit Gebote erlässt, die Gottes Gebot widersprechen,
so muss man diese nicht halten,
denn es ist besser, Gott zu gehorchen als den Menschen.

So handelte auch Petrus,
als er verboten wurde zu predigen:
„Wir können nicht aufhören, zu reden, was wir gesehen und gehört haben.“ (Apg 4,20)

Darum sollen die Gläubigen ihr Gewissen nicht den Befehlen der Menschen unterwerfen,
sondern alle Dinge am Wort Gottes prĂĽfen.

Denn ein gebundenes Gewissen ist kein christliches Gewissen,
und ein Glaube, der sich nach menschlicher Angst richtet, ist kein Glaube an Gott.

Achtes Lehrstück – Von der Prüfung der Gebote und Gesetze

Weil die Menschen vielerlei Satzungen machen,
muss der Christ alle Gebote prĂĽfen,
ob sie mit Gottes Wort ĂĽbereinstimmen.

Was recht und gut ist, das soll er halten;
was aber wider Gottes Gebot ist, das soll er verwerfen,
möge es auch von Kaiser oder Papst gekommen sein.

So hat auch Christus die Gebote der Pharisäer getadelt,
weil sie Gottes Wort aufhoben und stattdessen Menschenlehre aufstellten (Mt 15,9).

Darum soll kein Gesetz des Menschen ĂĽber das Gesetz Gottes gestellt werden,
denn Gott allein ist Herr der Wahrheit.

Wenn die Obrigkeit also etwas gebietet,
was wider das Evangelium ist,
so darf man ihr nicht folgen;
wer es tut, verleugnet Christus und macht sein Gewissen schuldig.

Denn kein menschlicher Friede kann die Verletzung des göttlichen Gebotes aufwiegen.

Neuntes Lehrstück – Vom Ende der Tyrannei und vom Gericht Gottes

Gott ist ein gerechter Richter,
der den Hochmut der Mächtigen stürzt
und den DemĂĽtigen Gnade gibt.

Darum hat noch keine Tyrannei dauerhaft bestanden;
denn Gott setzt eine Grenze der Bosheit, die sie nicht ĂĽberschreiten kann.

So stĂĽrzte er Pharao, als dieser sein Volk unterdrĂĽckte;
so verwarf er Saul, als dieser dem Wort Gottes nicht gehorchte;
so richtete er Nebukadnezar, als dieser sich selbst vergöttlichte.

Er wird auch heute die Tyrannen richten,
die sein Evangelium verfolgen
und die Gewissen seiner Kinder knechten.

Darum sollen die Gläubigen geduldig bleiben,
denn Gott wird zur rechten Zeit eingreifen.

Wer aber mit den Tyrannen geht,
wird mit ihnen fallen.

Denn es ist geschrieben:
„Der Herr bricht den Stab der Gottlosen und das Zepter der Fürsten.“ (Jes 14,5)

So wird am Ende erwiesen werden,
dass kein Widerstand vergeblich war,
der um Gottes Ehre und der Wahrheit willen geschah.

Unterricht, wie weit sich der Gehorsam der Untertanen gegen ihre Obrigkeit erstrecke

Zehntes Lehrstück – Von der rechten Ordnung des Widerstands

Damit kein Missbrauch entstehe, ist zu merken,
dass nicht jedermann eigenmächtig gegen die Obrigkeit aufstehen darf.

Denn Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern des Friedens (1 Kor 14,33).

Darum soll der Widerstand immer in rechter Ordnung geschehen:
durch die, welche dazu berufen sind,
die Gewalt recht zu handhaben – das heißt durch die untergeordnete Obrigkeit,
nicht durch den unberufenen Haufen oder durch Einzelne aus Mutwillen.

Wenn also ein Rat, ein FĂĽrst oder ein Magistrat das Evangelium schĂĽtzt
und die Gemeinde vor unrechtmäßiger Gewalt bewahrt,
so handelt er nach seinem göttlichen Beruf.

Aber wenn Menschen ohne Beruf die Hand zur Gewalt erheben,
so sĂĽndigen sie, auch wenn sie eine gerechte Sache meinen zu fĂĽhren.

Denn Gott hat Ordnung geboten,
damit das Gute mit rechter Hand geschehe.

Darum soll der Widerstand gegen Tyrannei nicht aus Aufruhr oder Rache geschehen,
sondern aus göttlicher Berufung und in Furcht Gottes.

Elftes Lehrstück – Von der Liebe und Demut im Kampf

Weil alles, was nicht aus Liebe geschieht, SĂĽnde ist,
so muss auch der Widerstand in Liebe geschehen.

Nicht Hass gegen die Person des Tyrannen soll uns treiben,
sondern Eifer fĂĽr die Ehre Gottes
und Mitleid mit den gequälten Gläubigen.

Darum sollen die, die widerstehen mĂĽssen,
nicht nach Rache verlangen,
sondern fĂĽr ihre Feinde beten,
dass Gott ihnen Erkenntnis gebe und sie zur BuĂźe fĂĽhre.

So bleibt der Christ auch im Kampf gegen das Böse ein Kind Gottes
und verliert nicht die Sanftmut des Geistes.

Denn Christus selbst hat im Leiden keine Rache gesucht,
sondern den Ăśbertretern vergeben
und für sie gebetet: „Vater, vergib ihnen,
denn sie wissen nicht, was sie tun.“ (Lk 23,34)

So sollen auch wir tun,
damit unser Widerstand nicht fleischlich,
sondern geistlich sei.

Zwölftes Lehrstück – Vom Sieg des Wortes Gottes und der Beständigkeit der Kirche

Obwohl die Kirche zuzeiten schwach und verfolgt erscheint,
wird doch das Wort Gottes niemals untergehen.

Denn Himmel und Erde werden vergehen,
aber Gottes Wort bleibt in Ewigkeit (Mt 24,35).

Darum sollen die Gläubigen wissen,
dass kein Leiden vergeblich ist,
kein Verlust unnĂĽtz,
keine Treue vergessen.

Gott selbst kämpft für seine Wahrheit;
er kann mit Wenigen viele ĂĽberwinden,
wie David den Goliath schlug,
nicht mit Schwert, sondern mit dem Wort des Herrn.

So wird auch die Kirche,
wenn sie im Glauben standhaft bleibt,
durch Gottes Macht siegen,
nicht durch menschliche Gewalt.

Darum wollen wir in aller Not und Gefahr
standhaft bleiben,
das reine Evangelium bekennen,
unsere Gewissen frei halten
und hoffen auf den Sieg Christi,
der sein Reich in Gerechtigkeit vollendet.

Schluss des Unterrichts

Dies alles, liebe BrĂĽder und Schwestern in Christus,
haben wir aus göttlicher Not geschrieben,
nicht aus Mutwillen oder Aufruhr,
sondern um unsere Gewissen zu retten
und die Wahrheit Gottes zu bezeugen.

Denn wir wissen,
dass Christus allein Herr ist ĂĽber sein Reich,
und dass niemand das Recht hat,
sein Evangelium zu verkehren oder zu verbieten.

Darum wollen wir lieber alles verlieren – Gut, Freiheit, Leib und Leben –
als das Wort Gottes verleugnen.

Und wir bitten Gott,
dass er alle Obrigkeiten, die noch Gottesfurcht im Herzen tragen,
erleuchte,
damit sie erkennen,
dass sie nicht Herren ĂĽber das Gewissen,
sondern Diener Gottes sind.

Er, der Herr der Herren,
stärke uns durch seinen Geist,
fĂĽhre sein Werk zum Ziel
und lasse seine Wahrheit siegen,
bis alle Knie sich beugen
und alle Zungen bekennen,
dass Jesus Christus der Herr ist,
zur Ehre Gottes des Vaters.

Amen.


Zum Text des Magdeburger Bekenntnisses (1550)

Die nachfolgende Fassung des Magdeburger Bekenntnisses („Bekentnis, Unterricht und Vermahnung der Pfarrherrn und Prediger der christlichen Kirchen zu Magdeburg“) beruht auf der deutschen Originalausgabe von 1550.
Sie wurde für die vorliegende Veröffentlichung in leicht modernisierter Orthographie wiedergegeben, um heutigen Lesern den Zugang zu erleichtern. Inhalt, Aufbau und theologische Aussage sind unverändert.

Das Magdeburger Bekenntnis entstand im Jahr 1550 als öffentliche Erklärung der lutherischen Pfarrer und Prediger der Stadt Magdeburg, die das kaiserliche Augsburger Interim verweigerten. Es ist das erste protestantische Dokument, das eine biblisch begründete Lehre vom rechtmäßigen Widerstand gegen gottlose Obrigkeit formuliert. Seine Gedanken prägten später Autoren wie Junius Brutus, Johannes Althusius, Samuel Rutherford und John Locke.

Diese Ausgabe ist gemeinfrei. Der Text selbst steht im öffentlichen Besitz; die modernisierte Sprachfassung folgt der kritischen Edition von Irene Dingel / Hans-Otto Schneider, Der Adiaphoristische Streit (1548–1560), Gütersloh 2007, unter Berücksichtigung der lateinischen Parallelfassung Confessio et Apologia Pastorum et Ministrorum Ecclesiae Magdeburgensis (1550).

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Zitate, Weiterverwendung und Abdruck dieses Textes sind ausdrĂĽcklich erlaubt, sofern Quelle und Jahrgang genannt werden:

Quelle: Magdeburger Bekenntnis (1550) – deutsche Originalfassung, modernisierte Orthographie und redaktionelle Bearbeitung: A. Schnebel (2025), veröffentlicht auf libertaerechristen.de.