Die 10 Gebote – Grundlage einer freien Gesellschaft

Die Zehn Gebote sind keinesfalls nur religiöse Vorschriften für Juden und Christen — sie sind relevant für alle Menschen (Ps 24,1; 1Kor 10,26). Der Dekalog als Gottes Freiheitscharta: Er bindet Macht an Recht, schützt das Gewissen vor Vergötzung menschlicher Autorität und macht Eigentum, Wahrheit und Treue zur tragenden Statik einer freien Ordnung und fasst das in die Schöpfung eingeschriebene natürliche Recht zusammen. Zivil geltend macht sich davon primär die zweite Tafel (äußere Gerechtigkeit), während die erste Tafel Gottesdienst und Gewissen adressiert. Bereits Martin Luther betrachtete die Zehn Gebote als Ausdruck des natürlichen Gesetzes, das Gott in seine Schöpfung eingeschrieben hat – ein Spiegel unseres Lebens. Auch für andere Reformatoren oder Augustinus war das Doppelgebot der Liebe von Jesus die Grundlage, auf der beide Tafeln des Dekalogs ruhen: Liebe zu Gott und zum Nächsten.

Dieser göttliche Rahmen soll den Schutz von Eigentum, individueller Freiheit sowie Recht und Ordnung (Verwaltung und Justiz) gewährleisten. Roland Baader betonte, dass zentrale Werte der westlichen Gesellschaft und der Marktwirtschaft auf christlichen Grundlagen basieren. Werte wie die Unantastbarkeit der Person, Freiheit und Eigentum sind tief in der christlichen Ethik verwurzelt, insbesondere in den Geboten, die Eigentum, Ehrlichkeit und Familie schützen. Diese moralischen und rechtlichen Prinzipien bilden das Fundament freier Gesellschaften. Die Vorrede zu den Geboten ist dabei Schlüssel: „Ich bin der HERR, dein Gott, der dich aus dem Land Ägypten, aus dem Sklavenhaus herausgeführt hat“ (2. Mose 20:2). Befreiung geht dem Gebot voraus. Gott befreit – und ordnet.

Die ersten vier Gebote unterstreichen, dass kein menschliches Herrschaftssystem absolute Jurisdiktion (Gewaltmonopol *¹) über oder neben Gott besitzen darf, da Gott als höchste Autorität und Richter über allen menschlichen Gesetzen und Verhalten steht. Die restlichen sechs Gebote regeln das Zusammenleben und fördern Ehrlichkeit, Verlässlichkeit und den Schutz von Leben und Eigentum. Bader warnte davor, dass diese über Jahrhunderte gewachsene soziale Normen durch politische Eingriffe zerstört werden.

  1. Keine anderen Götter neben Gott
    „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben“ (2. Mose 20:3). Dieses Gebot fordert, dass der Mensch Gott allein erkennt, ihm vertraut, ihn fürchtet und liebt über alles. Es richtet sich nicht nur gegen die Anbetung fremder Götzen, sondern gegen jede Form menschlicher Macht oder Ideologie, die sich an Gottes Stelle erhebt, seinen Geboten widerspricht oder sie ignoriert. Woran der Mensch sein Herz hängt, dem dient er – und was er für unantastbar erklärt, das ist sein Gott.
    In der Heiligen Schrift werden auch menschliche Herrscher und Richter „Götter“ genannt (Psalm 82,1; 2. Mose 7,1; 21,6; 22,8.28) – nicht weil sie göttliche Würde hätten, sondern weil ihr Amt ein Abbild göttlicher Autorität ist. Wahre Autorität ist abgeleitet, begrenzt und rechenschaftspflichtig. Das Amt ist von Gott – nicht aber jede Anmaßung der Person.
    Nur Gott steht als höchste rechtliche und moralische Instanz über allen menschlichen Ordnungen. Wer als Mensch oder Institution eine unabhängige Vollmacht beansprucht, also „neben Gott“ steht, begeht Götzendienst und verletzt die Freiheit, die Gott allein gewährt. Das Erste Gebot zieht so die Grenze zwischen Gottesdienst und Machtdienst, zwischen Glauben und Ideologie.
    Gott befreit sein Volk aus der Knechtschaft und zeigt ihm durch seine Gebote den Weg zur Freiheit: „Ich bin der HERR, dein Gott, der dich aus dem Land Ägypten, aus dem Sklavenhaus herausgeführt hat“ (2. Mose 20,2). Befreiung geht dem Gebot voraus. Der Mensch wird nicht durch Zwang, sondern durch Vertrauen und Gehorsam frei. Dieses Gebot ist kein Ausdruck religiöser Bevormundung, sondern die Grundlage wahrer Freiheit – denn wer Gott allein als Herrn anerkennt, entzieht sich der vergöttlichten Macht des Menschen.
  2. Keine Götzenbilder
    „Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen“ (2. Mose 20:4).*² Dieses Gebot fordert, dass Gott allein so erkannt und geehrt wird, wie er sich selbst offenbart hat. Es warnt vor der Verehrung sichtbarer Bildnisse, aber ebenso vor der Vergötzung menschlicher Ideen und Ideologien, die sich an Gottes Stelle setzen. Denn was der Mensch sich von Gott macht, das beherrscht ihn – sei es ein Bild aus Stein oder eine Idee aus Menschenhand.
    Es geht nicht nur um äußere Abbilder, sondern um jede Projektion, die das unsichtbare Wesen Gottes durch menschliche Maßstäbe ersetzt. Das Gebot zieht die Grenze zwischen göttlicher Wahrheit und menschlichen Systemen, die Denken und Freiheit einengen. Wie das erste Gebot zeigt, wem wir dienen, so zeigt das zweite, wie wir dienen sollen: nicht nach eigener Erfindung, sondern nach Gottes Wort.
    Auch religiöse Institutionen können zum Götzen werden, wenn sie ihre Formen oder Traditionen über Gottes Wort stellen. Wo Form zum Selbstzweck wird, wird der lebendige Gott zum bloßen Symbol. Nur er besitzt höchste Autorität; jede Ordnung, die diesen Platz beansprucht, wird zur Fessel des Gewissens. Das zweite Gebot schützt das Herz des Glaubens – es bewahrt die Freiheit des Gewissens vor der Vereinnahmung durch sichtbare oder unsichtbare Mächte. Gott will nicht dargestellt, sondern erkannt, geliebt und angebetet werden – in Geist und in Wahrheit.
  3. Den Namen Gottes nicht missbrauchen
    „Du sollst den Namen des HERRN, deines Gottes, nicht missbrauchen“ (2. Mose 20:7) untersagt jeden respektlosen oder manipulativen Gebrauch des göttlichen Namens. Gottes Name ist gegeben, um ihn in Ehrfurcht anzurufen, zu loben und zu bekennen – nicht, um ihn für menschliche Zwecke zu vereinnahmen. Was mit seinem Namen begründet wird, muss seinem Wesen entsprechen: Wahrheit, Treue und Barmherzigkeit.
    Das Gebot betrifft nicht nur leichtfertige Worte oder unnötige Schwüre, sondern ebenso den Missbrauch des göttlichen Namens zur Durchsetzung eigener religiöser, politischer oder ideologischer Ziele. Schon die Propheten klagten gegen jene, die „im Namen des HERRN“ redeten, obwohl der HERR sie nicht gesandt hatte (Jer 23,21).
    Wo Gottes Name zur Rechtfertigung menschlicher Herrschaft oder Macht missbraucht wird, verliert er seine Heiligkeit im Bewusstsein der Menschen. Das Gebot mahnt zur Trennung von göttlicher und weltlicher Autorität – der Name Gottes darf weder zur Herrschaftsbegründung noch zur moralischen Tarnung menschlicher Anmaßung dienen.
    So schützt das dritte Gebot die Freiheit des Glaubens und das Gewissen des Einzelnen. Gottes Name ist kein Werkzeug, sondern Gegenwart – heilig, wahr und frei von menschlicher Verfügung.
  4. Den Sabbat heiligen
    „Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligst“ (2. Mose 20:8). Der Sabbat symbolisiert eine tiefere und endgültige Form der Freiheit, die über alltägliche Arbeit und materiellen Erfolg hinausgeht. Er befreit den Menschen von den Zwängen des täglichen Lebens und bietet Raum zur Besinnung auf das Wesentliche – die geistlichen und moralischen Aspekte des Daseins. Durch den Sabbat schenkt Gott Freiheit und Unabhängigkeit von rein materiellen Sorgen und erinnert daran, dass das Leben nicht allein von Arbeit bestimmt wird. Er ist das göttliche Gegengewicht zu aller menschlichen Rastlosigkeit und Wirtschaftsgläubigkeit – ein Schutzgebot gegen Selbstversklavung und Fremdausbeutung zugleich.
    Der Sabbat lehrt den Menschen, dass seine Freiheit und sein Wert nicht in seiner Arbeitsleistung liegen, sondern in seiner Beziehung zu Gott und den Menschen. Diese Ruhezeit erinnert daran, dass auch irdische Autoritäten den Menschen nicht durch Arbeit oder materielle Interessen definieren dürfen, sondern dass der Mensch nach dem Ebenbild Gottes geschaffen wurde. Darum ist der Sabbat kein bloßer Feiertag, sondern eine Ordnung der Gnade – er unterbricht den Rhythmus der Herrschaft, indem er den Menschen an seine Würde erinnert.
    Gleichzeitig zeigt das Gebot, dass diese Ruhe nicht nur für den Einzelnen gilt, sondern auch für alle, die in der Gesellschaft arbeiten, einschließlich Knechten und Tieren. Die Sabbatruhe ist ein kollektives Prinzip, das die Verantwortung betont, allen Beteiligten eine regelmäßige Erholung zu ermöglichen. So wird der Sabbat zum sozialen Schutzrecht: Er durchbricht Machtverhältnisse und erinnert daran, dass niemand über die Zeit des anderen verfügen darf. In ihm spiegelt sich Gottes befreiender Charakter – eine Ordnung, die Ruhe nicht erzwingt, sondern schenkt.

    Autorität im Lichte der Gebote
    Die erste Tafel bzw. vier Gebote zeigen, dass alle wahre Autorität von Gott ausgeht und jede irdische Autorität seiner Souveränität untersteht. Menschen, Systeme oder Ideologien, die sich an seine Stelle setzen, verfehlen ihren Auftrag und überschreiten die ihnen gesetzten Grenzen. Gott allein ist Ursprung der Ordnung – doch keine menschliche Ordnung ist Gott selbst.
    Zivile, familiäre, berufliche und kirchliche Autorität bleibt nur so lange legitim, wie sie Gottes Willen dient und seinen Geboten nicht widerspricht. Wo Autorität zum Dienst wird, bewahrt sie Freiheit; wo sie sich in Herrschaft verwandelt, zerstört sie sie. Rechtmäßige Autorität schützt, unrechtmäßige kontrolliert.
    In diesen Geboten wird sichtbar, dass jede Form von Autorität an Gottes Maßstab gebunden ist. Das Erste zieht die Linie, das Zweite warnt vor ideologischer Selbstvergötzung, das Dritte schützt Gottes Namen vor Missbrauch, und das Vierte erinnert daran, dass niemand über Zeit und Gewissen anderer verfügen darf.
    So weist der Dekalog den Weg zu einer Freiheit, die nicht auf Selbstbestimmung allein, sondern auf Verantwortung vor Gott gründet. Wahre Ordnung entsteht nicht durch Kontrolle, sondern durch Begrenzung der Macht. Darin liegt seine befreiende Logik: Jede Autorität steht unter Gott – und gerade deshalb im Dienst des Menschen. Zivile Autorität wahrt nur das Minimum des Guten (Gewalt, Diebstahl, Betrug…), nicht die Durchsetzung der Frömmigkeit.
  5. Ehre Vater und Mutter
    „Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit deine Tage lange währen in dem Land, das der HERR, dein Gott, dir gibt“ (2. Mose 20:12). Dieses Gebot bildet die Brücke zwischen Himmel und Erde – zwischen der Ehrfurcht vor Gott und der Achtung vor den von ihm eingesetzten Autoritäten. Wer seine Eltern ehrt, lernt das Prinzip jeder Ordnung: Autorität ist Dienst, und Gehorsam erwächst aus Vertrauen.
    Es meint mehr als kindliche Dankbarkeit. Es umfasst die Anerkennung aller rechtmäßigen Autoritäten, die im Einklang mit Gottes Geboten handeln – in Familie, Arbeit, Kirche und Gemeinschaft. Diese Autorität gründet nicht auf Zwang, sondern auf Verantwortung und gegenseitigen Respekt. Eltern stehen hier stellvertretend für alle, die aufgrund von Alter, Erfahrung oder Berufung leiten. Ebenso gilt: Wer führt, soll bewahren, nicht beherrschen; schützen, nicht ausnutzen.
    Ehre bleibt nicht beim Gefühl stehen. Sie wird sichtbar in Taten – in Fürsorge, Dankbarkeit und dem Schutz des Lebenswerks der Eltern. Jesus tadelte jene, die fromme Pflichten vorschoben, um ihre Verantwortung zu umgehen (Mk 7,9–13), und Paulus schrieb: „Wer die Seinen nicht versorgt, hat den Glauben verleugnet“ (1Tim 5,8). Ehre heißt: das Erbe bewahren und die Generation vor uns achten, damit die nach uns in Frieden leben kann.
    Der Heilige Geist wirkt in dieser Ordnung auf konkrete, irdische Weise – durch Ehe und Familie, Arbeit und gegenseitige Verantwortung. Gemeinschaften, die natürliche Autoritäten verachten, sägen an ihren Wurzeln. Wo Kinder lernen, zu ehren – auch in materieller Treue und praktischer Hilfe –, wächst die Tugend der Dankbarkeit. Diese Dankbarkeit ist kein Gefühl, sondern eine Form der Gerechtigkeit – die Anerkennung derer, von denen man empfing.
    So wird sichtbar: Das fünfte Gebot ist kein bloßes Hausgesetz, sondern Fundament jeder stabilen Gesellschaft. Es verbindet Gottesfurcht mit sozialer Gerechtigkeit – und erinnert daran, dass Freiheit ohne Verantwortung gegenüber Herkunft und Generation ihre Wurzeln verliert.
  6. Du sollst nicht töten
    „Du sollst nicht morden“ (2. Mose 20:13). Dieses Gebot schützt das menschliche Leben als unveräußerliches Gut und verwehrt jeder menschlichen Autorität, über das Leben anderer zu verfügen. Leben ist Gabe Gottes – nicht Besitz des Staates, nicht Eigentum des Menschen. Der Schutz des Lebens ist Grundlage jeder gerechten Ordnung und Voraussetzung aller Freiheit.
    Das Gebot fordert mehr als die bloße Enthaltung von Gewalt. Es verpflichtet zu aktiver Verantwortung: das eigene Leben und das anderer mit rechtmäßigen Mitteln zu schützen, Unrecht zu hindern und Leid zu mindern. Wer das Leben achtet, muss es auch bewahren.
    Nicht nur der tötet, der das Leben gewaltsam nimmt, sondern auch, wer seinem Nächsten das Gute vorenthält, obwohl er helfen könnte. Unterlassung kann ebenso schuldig machen wie Gewalt. Es genügt nicht, sich passiv aus dem Unrecht herauszuhalten; man muss aktiv gegen Ungerechtigkeit eintreten und das Leben anderer bewahren, wenn es bedroht wird.
    Viele entschuldigen ihre Untätigkeit mit Vorwänden, etwa indem sie behaupten, sie hätten nicht die Kraft oder das Recht, einzugreifen. Doch das Gebot lehrt: Nicht der Rückzug aus Verantwortung, sondern die Wahrnehmung von Verantwortung bewahrt das Leben. So schützt dieses Wort Gottes das Leben nicht nur vor Angriff, sondern auch vor Gleichgültigkeit – und erinnert daran, dass Freiheit ohne Achtung vor dem Leben ihre Würde verliert. Die Liebe gebietet Hilfe; das Recht darf sie nicht grenzenlos erzwingen – es sanktioniert primär Aggression und vorsätzliche Schädigung.
  7. Du sollst nicht ehebrechen
    „Du sollst nicht ehebrechen“ (2. Mose 20:14). Dieses Gebot schützt die Ehe als göttlich gestifteten Bund und als Fundament jeder stabilen Gemeinschaft. Wo Treue schwindet, zerfällt Vertrauen – und mit ihm die tragende Substanz von Familie, Kultur und Gesellschaft. Ehebruch zerstört, was Generationen verbindet.
    Die Ehe ist mehr als ein privates Arrangement. Sie ist ein öffentlicher Bund, der auf Verlässlichkeit, Schutz und gegenseitiger Hingabe beruht. In ihr spiegelt sich die Treue Gottes und die Beständigkeit seiner Ordnung wider. Wo diese Ordnung verachtet wird, wird das Gemeinwesen instabil.
    Dieses Gebot erinnert daran, dass Freiheit und Verantwortung untrennbar verbunden sind. Persönliche Freiheit findet ihre Würde nicht im Bruch von Bindungen, sondern in ihrer Bewahrung. Treue schafft Vertrauen, und Vertrauen ist das Kapital jeder freien Gesellschaft. Eheliche Beständigkeit sichert das Wohl künftiger Generationen – sie ist Schule der Liebe, Ort der Versöhnung und Quelle von Stabilität.
    So steht das siebte Gebot im Dienst des Lebens: Es schützt die Familie vor Zerstörung, das Herz vor Bindungslosigkeit und die Gesellschaft vor dem Verlust ihrer moralischen Mitte.
  8. Du sollst nicht stehlen
    „Du sollst nicht stehlen“ (2. Mose 20:15). Dieses Gebot schützt das Eigentum und damit die Grundlage persönlicher Freiheit und Verantwortung. Es sichert dem Menschen das Recht auf die Früchte seiner Arbeit und bewahrt die Ordnung, die Gerechtigkeit und Frieden ermöglicht. Ohne Eigentum keine Verantwortung – ohne Verantwortung keine Freiheit.
    Das Gebot richtet sich gegen jede Form des unrechtmäßigen Zugriffs auf das, was einem anderen gehört – ob offen, verdeckt oder politisch verbrämt. Zwangsabgaben jenseits der begrenzten Aufgabe, äußeres Recht zu schützen (Rechtspflege, Friedenswahrung), verletzen den Geist des Gebots. Wo Abgaben zur Umverteilung, Lenkung und Machtsicherung werden, geraten sie zur legalen Plünderung. Unrecht bleibt Unrecht, auch wenn es von Mehrheiten beschlossen wird. Gerechtigkeit bemisst sich nicht an Stimmen, sondern an Gottes Maßstab.
    Dieses Gebot ruft nicht nur zur Bewahrung, sondern auch zur Förderung rechtmäßigen Wohlstands auf. Es ehrt die Arbeit als Berufung und verpflichtet, mit Fleiß, Mäßigung und Freigebigkeit das eigene und das Wohl anderer zu mehren – frei von Neid, Zwang und falscher Gleichmacherei. Dazu gehört auch, unnötige Prozesse, Bürgschaften und riskante Bindungen zu meiden, die den eigenen Haushalt und den der Nächsten schädigen.
    Es fordert zugleich eine positive Haltung: Ehrlichkeit im Handel, Verlässlichkeit in Verträgen, Maß und Anstand im wirtschaftlichen Handeln. Eigentum verpflichtet – nicht durch Zwang, sondern durch Gewissen. Wer rechtmäßig erwirbt, soll mit Freigebigkeit handeln, nicht aus Zwang, sondern aus Dankbarkeit.
    So verbindet das achte Gebot Freiheit mit Verantwortung. Es ruft zu einer Kultur des Gebens statt des Nehmens, des Fleißes statt der Forderung. Wo Arbeit, Eigentum und Gerechtigkeit in rechter Ordnung stehen, entsteht Vertrauen – das Fundament jeder freien und friedlichen Gesellschaft.
  9. Du sollst nicht falsch Zeugnis reden
    „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten“ (2. Mose 20:16). Wahrhaftigkeit ist das Fundament von Recht und Vertrauen – zwei Säulen, ohne die keine Gesellschaft bestehen kann. Wo Wahrheit zur Meinung und Lüge zur Methode wird, zerbricht die Ordnung des Rechts.
    Falsches Zeugnis zerstört Gerechtigkeit, untergräbt Vertrauen und richtet Unschuldige. Eine Gemeinschaft, die persönliche Ehre und Ehrlichkeit verspottet oder Lüge als Mittel des Vorteils duldet, kann keinen dauerhaften Frieden bewahren. Wahrheit ist nicht bloß Tugend, sie ist öffentliches Gut – sie hält Gericht, Gewissen und Gemeinschaft zusammen.
    Dieses Gebot verpflichtet alle, in Wort und Urteil wahrhaftig zu sein – Bürger wie Obrigkeit, Untergebene wie Vorgesetzte. Wer Macht über andere hat, trägt besondere Verantwortung, Wahrheit zu wahren und Gerechtigkeit zu schützen. Falsche Urteile, gezielte Täuschung oder das Verschweigen von Wahrheit zum Machterhalt verletzen das Gebot ebenso wie bewusste Lüge und Verleumdung (vgl. 2Mo 23,1–2). Denn wo die Mächtigen Unwahrheit lehren, werden die Schwachen zur Lüge gezwungen.
    Wahrhaftigkeit ist der Sauerstoff des gesellschaftlichen Lebens – wo sie fehlt, erstickt jede Freiheit. Darum mahnt dieses Gebot, Wahrheit zu lieben und die Ehre des anderen zu achten. Wer die Wahrheit wahrt, schützt zugleich Recht und Frieden – und hält die Freiheit lebendig.
  10. Du sollst nicht begehren, was deinem Nächsten gehört
    „Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus … noch alles, was dein Nächster hat“ (2. Mose 20:17). Dieses Gebot richtet sich gegen Neid, Missgunst und Gier – jene inneren Bewegungen, die den Frieden unter Menschen zerstören, lange bevor eine Tat begangen wird. Es schützt die Ordnung des Herzens und damit das Fundament jeder gerechten Gesellschaft. Wo Begehrlichkeit zur Moral wird, zerfällt das Band der Solidarität – der Nächste wird zum Konkurrenten, nicht mehr zum Mitmenschen.
    Das Gebot ruft zur Zufriedenheit und Dankbarkeit auf. Es lehrt, den Besitz anderer zu respektieren und das Eigene mit Verantwortung zu verwalten. Während das Recht nur äußere Handlungen beurteilt, richtet dieses Wort Gottes das Herz: Nicht nur die Tat, sondern auch das Begehren steht unter seinem Anspruch. So weitet sich der Dekalog von der sichtbaren Ordnung zur inneren Haltung – vom äußeren Gesetz zur inneren Gesinnung.
    Eine Gesellschaft, die Neid als Rechtfertigung für Umverteilung oder Machtansprüche duldet, zerstört sich selbst. Begehrlichkeit ist die Wurzel vieler Übel: Sie gebiert Diebstahl, Lüge und Gewalt. Wer das Eigene mit Dankbarkeit hütet, statt das Fremde zu begehren, bewahrt Freiheit und Frieden zugleich.
    Dieses Gebot macht klar: Wohlstand ist Frucht von Fleiß und Verantwortung, nicht von Zwang und Gleichmacherei. Wahrer Reichtum wächst aus Selbstbeherrschung, nicht aus Forderung – und Gerechtigkeit ohne Genügsamkeit hat keine Dauer.

Fazit: Die 10 Gebote als freiheitlicher Rahmen
Die Zehn Gebote bilden den moralischen und rechtlichen Grundrahmen einer freien Gesellschaft. Sie verbinden persönliches Gewissen und öffentliches Recht, individuelle Verantwortung und gemeinschaftliche Ordnung. Freiheit entsteht dort, wo Recht begrenzt und das Gewissen geachtet wird.

Der Dekalog beschränkt zivile Autorität auf ihren eigentlichen Zweck: den Schutz von Leben, Eigentum und Wahrheit. Er entzieht menschlicher Macht jede absolute Geltung und ruft alle Autorität in Rechenschaft vor Gott. So wird politische Gewalt gebändigt und das Gewissen des Menschen bewahrt. Zugleich fordert das Gesetz eine Kultur der Verantwortung, die über äußere Pflichten hinausgeht. Es schützt nicht nur Rechte, sondern stiftet Tugenden – Ehrlichkeit, Treue, Gerechtigkeit, Mäßigung und Dankbarkeit. Wo das Recht das Minimum des Guten bewahrt, ruft das Gebot zum Maximum des Richtigen auf.

Das Verbot des Begehrens verurteilt Neid und Zwangsumverteilung als moralische Irrwege und stärkt den Respekt vor dem Besitz anderer. Eigentum, Arbeit und Treue werden so zu Säulen einer freien Ordnung. Der Schutz des Eigentums ist dabei nicht Selbstzweck, sondern Ausdruck von Gottes Schöpfungsordnung: Verantwortung für das eigene Gut als Dienst am Gemeinwohl.

Die Zehn Gebote gründen Freiheit nicht auf Mehrheiten, sondern auf Maßstäben. Sie verurteilen jede Form absoluter menschlicher Machtausübung und verankern eine Ordnung, die Recht, Moral und Gewissen in Einklang bringt. Sie schaffen die Balance zwischen göttlicher Autorität und menschlicher Verantwortung – eine Ordnung, die das Gewissen schützt, die Familie stärkt, das Eigentum sichert und den Staat begrenzt.

In einer Zeit, in der politische Macht immer tiefer in das Private, das Wirtschaftliche und das Geistliche eindringt, bleibt der Dekalog die Magna Charta der Freiheit. Er bindet Macht an Recht, schützt das Gewissen vor Vergötzung menschlicher Autorität und erinnert uns daran, dass wahre Ordnung vom Schöpfer ausgeht – nicht von seinen Geschöpfen. Freiheit hat keine andere Quelle als Gott – und keine andere Grenze als seine Gerechtigkeit.


*¹ Zum Gewaltmonopol des Staates:
Das moderne Gewaltmonopol ist keine biblische, sondern eine soziologische Konstruktion. Es beansprucht eine ausschließliche, selbstlegitimierte Gewaltbefugnis und löst sich damit von göttlicher Ordnung. Nach der Schrift (Röm 13; 1 Petr 2) ist Obrigkeit nicht Quelle, sondern Dienerin der Gerechtigkeit: Sie trägt das Schwert nicht eigenmächtig, sondern als Auftrag Gottes – begrenzt, rechenschaftspflichtig und zum Schutz des Lebens, nicht zu seiner Kontrolle. Wird Gewalt monopolisiert, also jeder höheren Ordnung und alternativen Verantwortung (Familie, Gemeinde, Nachbarschaft) entzogen, entsteht ein Mechanismus der Machtsicherung, der strukturell zum Machtmissbrauch verführt.

Dies zeigt sich auf mehreren Ebenen:

  1. Positive Rechtsetzung: Wo der Staat selbst bestimmt, was Recht ist, verliert das Recht seinen übergeordneten Maßstab. Gesetz wird zum Werkzeug der Politik.
  2. Externe Verteidigung: Militärische Gewalt dient häufig nicht dem Schutz der Bürger, sondern der Durchsetzung geopolitischer Interessen – Kriege im Namen der „Sicherheit“ erweitern Macht, nicht Frieden.
  3. Innere Sicherheit: Polizei, Geheimdienste und Sicherheitsapparate geraten leicht zum Instrument der Kontrolle statt des Schutzes.
  4. Juristische Letztinstanz: Wenn der Staat Richter und Partei zugleich ist, wird Gerechtigkeit relativ – Macht ersetzt Recht.
  5. Legitimität der Gewalt: Wer Gewalt allein im Staat verortet, nimmt den Bürgern jedes natürliche Verteidigungsrecht und macht sie abhängig.

Problematisch ist nicht, dass es öffentliche Rechtspflege gibt, sondern deren Monopolisierung ohne Transzendenzbindung. Polyzentrische Rechtspflege (Familie, Gemeinde, Gilden, Kommunen) kann subsidiär mitwirken; Selbstverteidigung bleibt natürliches Recht: Nicht das Schwert selbst ist das Problem, sondern seine Entgrenzung. Gewalt, die sich von göttlichem Recht löst, wird zur Unterdrückung; Gewalt, die ihm dient, bleibt Werkzeug der Ordnung. Das Gewaltmonopol des modernen Staates steht daher im Widerspruch zu biblischer Herrschaftslehre – es ersetzt göttliche Berufung durch staatliche Selbstvergottung und bedroht damit die Freiheit. Es entrechtet Bürger ihrer Selbstbestimmung und führt zu einem System der Zwangsgewalt, das die Interessen des Staates über das Wohl der Menschen stellt.

*² Zählweise der Gebote:
Die Zählung folgt hier der reformierten Tradition, nach der das Bilderverbot als eigenständiges zweites Gebot gilt und das Begehren in einem Gebot zusammengefasst wird.
In der lutherischen Tradition wird das Bilderverbot als Teil des ersten Gebots verstanden, während das zehnte in zwei Begehren-Gebote unterteilt ist. Der inhaltliche Sinn bleibt in beiden Traditionen derselbe: Gott allein ist Herr, und nichts Geschaffenes darf seinen Platz einnehmen.

Autor

  • Schnebel Andreas

    Andreas Schnebel ist pensionierter Soldat, Autor und Publizist. Er schreibt regelmäßig für verschiedene Magazine, darunter eigentümlich frei, Der Sandwirt, wir selbst und Ansage.org. Seine Schwerpunkte liegen in der Verbindung reformatorischer Theologie mit Fragen der Freiheit, Eigentumsordnung und Gesellschaftskritik. Schnebel ist verheiratet und Vater von drei Kindern.

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