Ganz im Gegensatz zu der- selbst unter Gläubigen verbreiteten Meinung- hat die Bibel nichts Gutes über menschliche Herrschaft zu sagen.
Aber Jesus rief sie zu sich und sprach zu ihnen: Ihr wisst, dass diejenigen, welche als Herrscher der Heidenvölker gelten, sie unterdrücken, und dass ihre Großen Gewalt über sie ausüben.
Mk10:42
Die biblischen Autoren wenden viel Zeit auf, die Handlungen der jeweiligen Machthaber zu verurteilen. Eine der stärksten Anklagen menschlicher Herrschaftssysteme- hier des Königtums- wird in 1 Samuel 8 aufgezeichnet:
Und er sprach: Das wird das Recht des Königs sein, der über euch herrschen wird: Eure Söhne wird er nehmen und sie für sich einsetzen, auf seinen Streitwagen und bei seiner Reiterei, und damit sie vor seinem Wagen herlaufen; und um sie sich als Oberste über tausend und als Oberste über fünfzig zu bestellen; und damit sie sein Ackerland pflügen und seine Ernte einbringen und damit sie ihm seine Kriegswaffen und seine Wagengeräte anfertigen. Eure Töchter aber wird er nehmen und sie zu Salbenmischerinnen, Köchinnen und Bäckerinnen machen. Auch eure besten Äcker, Weinberge und Ölbäume wird er nehmen und seinen Knechten geben; dazu wird er den Zehnten von eurer Saat und von euren Weinbergen nehmen und ihn seinen Hofbeamten und Knechten geben. Und er wird eure besten Knechte und Mägde und Burschen und eure Esel nehmen und sie für seine Geschäfte verwenden. Er wird den Zehnten eurer Schafe nehmen, und ihr müsst seine Knechte sein. Wenn ihr dann zu jener Zeit schreien werdet über euren König, den ihr euch erwählt habt, so wird euch der HERR zu jener Zeit nicht erhören!
1Sam8:11-18
Gläubige, die den heutigen Staat und damit menschliche Herrschaft verteidigen, neigen oft zu der Annahme, dass sich Gottes Urteil ausschließlich gegen ungerechte Herrschaft richtet. Die Möglichkeit “ungerechter Herrschaft” ist jedoch nicht der Grund, den Gott in 1Sam8 für die klare Verurteilung des israelitischen Wunsches angibt. Gott warnt sie vielmehr vor Aspekten, die jeder menschlichen Herrschaft zu eigen ist, wie etwa die Besteuerung. Am auffallendsten dabei, dass Gott sagt, dass sie Sklaven des Königs werden. Gott sagt nicht, dass sie seine Sklaven werden könnten, wenn er ungerecht ist. Gott sagt, dass Sklaverei menschlicher Herrschaft inhärent ist.
Beherrscht und besteuert zu werden, bedeutet Sklave zu sein.
Gott warnte Israel immer wieder eindringlich davor, sich erneut der Herrschaft durch irdische Könige und Gesetze zu unterwerfen, da sich dieser dann auch ihr Eigentum »nehmen« würde. Steuern und Abgaben werden als »schweres Joch« charakterisiert, welche Menschen und Völker zu Grunde richten können. Im Gegensatz dazu steht das »sanfte Joch« der Herrschaft Christi.
Dein Vater hat unser Joch hart gemacht; so mache du nun den harten Dienst deines Vaters und das schwere Joch, das er uns auferlegt hat, leichter, so wollen wir dir dienen!
|1Kö12:4 (siehe auch 1Kö12:14; 5Mo17:14ff; Mt11:29-30)
Diese Vorstellung erscheint uns in unserem modernen Kontext schockierend, wird aber von den biblischen Autoren im Allgemeinen als selbstverständlich angesehen. Um dies zu verstehen, müssen wir bedenken, dass die damaligen Herrscher Steuern in erster Linie dazu verwendeten, sich selbst und eine elitäre Oberschicht zu bereichern, und nicht wie heutige Sozialstaatssysteme, privates Eigentum umzuverteilen. Obwohl es wahr ist, dass Gott sein Volk angewiesen hat, sich um die Armen zu kümmern, existiert keine Anweisung, kein Gebot, das dies durch staatliche Umverteilung geschehen soll. Vielmehr richtet Gott diese Aufforderung stets an den Einzelnen.
Es war jedoch Israels Wunsch und Absicht, Gottes Vorstellung einer Gesellschaftsordnung ohne menschliche Herrscher, ihn selbst zu verwerfen und eine herrschende Klasse zu errichten, „damit auch wir seien wie alle Heidenvölker“, obwohl sie dazu berufen waren, abgesondert zu werden. Wie jedes andere Reich im Laufe der Geschichte, etablierten die Israeliten ein Zwangssystem, das dazu diente, Kriege zu finanzieren und Menschen zu verherrlichen. Somit unterscheidet sich unser System trotz seiner modernen Struktur nicht mehr von ihrem. Viele Gläubige legitimieren ihre Verteidigung antigöttlicher Systeme zwar mit guten Absichten, bspw. dem Ziel, den Armen zu helfen; Tatsache ist jedoch, dass ein erheblicher Teil unserer Steuern gegen Gottes Willen verwendet wird.
Die Worte Samuel gelten für alle Reiche und Herrscher, unabhängig ihres Systems und ihrer Politik.
Erzwungene »Steuern« (Tribut), etwas das man nicht »schuldet« verurteilt die Bibel grundsätzlich Unrecht. Wer fremdes Eigentum durch Gewalt oder der Androhung von Gewalt raubt, verstößt gegen die Ordnung Gottes. | 2Mo20:15; Röm13:7
Insbesondere gilt dies jedoch für Steuern auf Nahrung und andere lebensnotwendige Dinge (z.B. Energie, Arbeit etc.), Steuern, die den einfachen Menschen das Leben erschweren und zu einem »schweren Joch« werden. | 1Kö12:4; 12:14