Zwischen Libertarismus und Christentum besteht u. a. eine starke Verbindung hinsichtlich des Verhältnisses einzelner Menschen untereinander, verschiedener Gemeinschaften sowie den Strukturen des Zusammenlebens. Kulturell fundamental nicht nur in der bloßen Anerkenntnis personaler Individualität, sondern der Betonung derselben vor dem Kollektiv. Die jeweiligen christlichen wie libertären Betrachtungsweisen bzw. Grundmotive werden zwar unterschiedlich begründet und beschrieben, dies jedoch hauptsächlich deshalb, weil unterschiedliche Aspekte derselben Realität betont werden.
Der personalen Individualität unmittelbar nachgeordnet, ist der Aspekt der Beziehung zwischen Individuen und Gruppen. In der Praxis sind allgemein hierarchische, von oben nach unten strukturierte Gemeinschaften vorzufinden bzw. konkret eine Totalisierung des Staates. Das christliche Grundmotiv stellt dieser Totalisierung bspw. das bekannte Konzept der “Zwei-Reiche” (Reich Gottes & Weltliches Reich) bzw. die “Dreiständelehre” (Kirche, Familie/Wirtschaft & Staat) entgegen. Im Rahmen des humanistischen Grundprinzips bzw. des Libertarismus kennt man dazu die Prinzipien des Selbsteigentums und des Nichtaggressionsprinzips (NAP).
Beide Grundmotive bleiben jedoch oftmals stark in ihrer eigenen Betrachtungsweise gefangen. Verbleibt die christliche Betrachtungsweise immer noch sehr in kollektivistischen und hierarchischen Blöcken stecken, verirrt sich der Libertarismus nicht selten in einem übermäßigen Individualismus. Das von Herman Dooyeweerd weiterentwickelte Konzept der Spährensouveränität Abraham Kuypers, vereint beide Ansätze- christlich wie libertär- zu einer m. E. vollständigeren Sichtweise.
Die Sphärensouveränität orientiert sich grundlegend an dem biblischen Konzept, nach dem alles von einer eigenen Art und mit einer eigenen Ordnung geschaffen wurde (“Gott schuf ein jedes nach seiner Art”):
“Die Sphärensouveränität garantiert jeder sozialen Sphäre eine intrinsische Natur und ein Gesetz des Lebens. Und mit dieser Garantie bietet sie die Grundlage für eine ursprüngliche Sphäre der Autorität und Kompetenz, die sich nicht von der Autorität einer anderen Sphäre ableitet, sondern direkt von der souveränen Autorität Gottes [delegiert] wird” .
Dooyeweerd, Roots S.49
Dies ist klar von lediglich separatistisch & subsidiär oder hierarchisch strukturierten Gemeinschaften zu unterscheiden, welche jeweils starr in der Konzeptionalität von Individualismus oder Kollektivismus gefangen sind. Vielmehr eröffnet dieses Konzept sowohl Freiheit, Individualität, Gemeinschaft, Ordnung und Autorität für das menschliche Zusammenleben.
Gregory Baus geht nachfolgend tiefer auf das Konzept der Sphärensouveränität ein: