“Eine Regierung verfügt nicht über den menschlichen Körper, auch wenn sie davon überzeugt ist, dass ihre Anordnung nur zum Nutzen des Körpers sei.” – Herman Dooyeweerd
Herman Dooyeweerd (1894-1977) war ein reformierter christlicher Philosoph und Rechtsgelehrter aus den Niederlanden. Mehr über sein Leben und Werk erfahren Sie in diesem Artikel.
Vor seiner Haupttätigkeit als Professor an der Vrije Universiteit Amsterdam von 1926-1965 war Dooyeweerd etwa fünf Jahre lang Direktor der Kuyper-Stiftung, des politischen Instituts der Antirevolutionären Partei. Von 1922 bis 1926 verfasste er mehrere Gutachten, darunter eines aus dem Jahr 1923 über Zwangsimpfungen, welche von der Regierung angeordnet wurden.
Das Gutachten beginnt mit der Feststellung, dass einige Mitglieder der Partei Impfungen ablehnen und andere sie befürworten, dass aber die Partei als Ganzes alle staatlichen Zwangsimpfungen ablehnt (Abraham Kuypers Standpunkt zu staatlichen Zwangsimpfungen finden Sie hier). Insbesondere wendet sich die Partei konsequent gegen alle Impfverpflichtungen für den staatlichen Schulbesuch, wenn der Staat den Schulbesuch vorschreibt.
Dooyeweerd legt dann 5 Hauptgründe dar, warum jeder zivile staatliche Zwang zu Impfungen abgelehnt und bekämpft werden muss.
- Zwangsimpfungen verletzen die von Gott gegebene Gewissensfreiheit.
- Nur der einzelne Mensch, und nicht die Regierung, besitzt ein gottgegebenes Recht als Verwalter des eigenen Körpers.
- Die zivile Regierung hat keine gottgegebene Kompetenz oder Zuständigkeit, über medizinische/gesundheitliche Fragen zu entscheiden.
- Natürliche oder endemische Krankheiten werden niemals zu Recht mit Hilfe von Zwang behandelt.
- Die medizinische Erkenntnis kann sich als fehlerhaft erweisen, und Impfungen mehr Schaden anrichten als die Krankheiten, die sie verhindern sollen.
Der größte Teil des Berichts befasst sich mit dem zweiten Hauptgrund, warum Zwangsimpfungen abgelehnt und bekämpft werden müssen. Dooyeweerd drückt es folgendermaßen aus: Eine zivile “Regierung verfügt nicht über den menschlichen Körper, auch wenn sie davon überzeugt ist, dass ihre Anordnung nur zum Nutzen des Körpers sei.””
Der Begriff “Verfügung” bezieht sich hier auf die legitime Macht oder Bestimmung über etwas nach eigenem Entschluss. In Matthäus 20,15, wo Jesus das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg erzählt, veranschaulicht er die “freie Verfügung” mit der rhetorischen Frage: “Darf ich mit dem, was mir gehört, nicht tun, was ich will?“
Dooyeweerd erklärt, dass es selbstverständlich legitim ist, auf Zwang zu reagieren, und zwar gegen jeden, der nachweislich Zwang auf andere ausübt. Aber einfach nur nicht geimpft zu sein, ist in keiner Weise ein Zwang. Und selbst wenn die Beamten der öffentlichen Verwaltung engelsgleiche Genies wären, die unfehlbar wüssten, was das Beste für Sie ist, und sich ausschließlich von Ihrem Interesse leiten ließen, könnten sie niemals das Recht haben, Zwang gegen Sie auszuüben, weil Sie nicht zu ihnen gehören.
Hier geht es nicht um die Frage, ob gerechte Gesetze durchgesetzt werden sollten, sondern darum, welche Art von Gesetzgebung tatsächlich gerecht ist. Und ob etwas tatsächlich gerecht oder ungerecht ist, wird nicht von der zivilen Regierung bestimmt, sondern von Gott. Natürlich erlassen die von Gott verordneten Grundsätze der zivilen Gerichtsbarkeit nicht von selbst Gesetze, sondern zeigen die richtigen Grenzen auf und geben der Gesetzgebung Orientierung.
Der wichtigste Grundsatz, auf den Dooyeweerd hinweist, ist das christliche Verständnis des Menschen als einer von Gott als Person geschaffenen Person. (Was er als “ethische” Personalität bezeichnet, wird er im Laufe der Entwicklung seiner Philosophie bald als die volle “religiöse” Personalität eines jeden Menschen bezeichnen). Das erste, was Dooyeweerd betont, ist, dass dieses Prinzip in diametralem Gegensatz zur Sklaverei steht. Auch wenn es wie ein extremer Vergleich erscheinen mag, ist der Impfzwang ein Ausdruck derselben Wurzel wie das Übel der Sklaverei (nämlich des Anspruchs, andere Menschen zu besitzen und/oder über sie zu bestimmen).
In der “klassisch-liberalen” oder libertären europäischen politischen Tradition, die den untrennbaren Zusammenhang zwischen Freiheit und Recht schätzt (die Tradition, zu der die amerikanischen “Gründer” ebenso wie Kuyper und Groen gehörten), ist dieses Prinzip meist als “Selbsteigentum” bekannt geworden.
Doch Dooyeweerd geht es darum, es in seiner fundamentalen, wahrhaft religiösen Grundlage zu beschreiben. Während man in Bezug auf andere Menschen sagen kann, dass man in der Tat der eigentliche “Besitzer” seiner selbst ist (die Alternative wäre Sklaverei), sind wir in Bezug auf unseren Schöpfer, dem wir letztlich Rechenschaft ablegen müssen, nur die jeweiligen Verwalter, die Hüter und Pfleger, jedes unserer eigenen Leben. Dies gilt doppelt für die von Christus Erlösten (1. Korinther 6,19-20).
Die politische Quintessenz daraus, so Dooyeweerd, ist die Tatsache, dass die zivile “Regierung den ethisch freien Menschen nach Gottes Anordnungen nicht dazu zwingen darf, körperliche Behandlung in irgendeiner Form hinzunehmen.“
Wir müssen uns von Anfang an, ohne Zögern und ohne Kompromisse, gegen jede Art von staatlicher Ungerechtigkeit wehren, sonst wird sie unweigerlich wie ein Krebsgeschwür wachsen. Das ist das Prinzip des “obsta principiis“. Man muss eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Tyrannei betreiben. “Wer eine Impfpflicht prinzipiell akzeptiert“, warnt Dooyeweerd, “hat sich selbst des moralischen Grundes beraubt, sich einer solchen Usurpation der individuellen Freiheit durch die Regierung zu widersetzen.“
Lesen Sie hier, wie der niederländische Theologe und Premierminister Abraham Kuyper zwar für Impfungen, aber gegen Zwang war.
*Eine von Dooyeweerds Philosophie beeinflusste Grundsatzerklärung, die versucht, den Widerstand gegen Tyrannei weiter zu entwickeln, finden Sie hier.
Der Artikel von Herman Dooyeweerd folgt in Teil 2
Veröffentlicht im Original durch Gregory Baus
In deutscher Sprache veröffentlich mit
freundlicher Genehmigung von Gregory Baus
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