Einleitung
Im Artikel »Der Staat in Römer13« wurde das Konzept der »Staatlichkeit« des Römischen Reiches, das, was Paulus und Petrus unter Obrigkeit und Staat verstanden, betrachtet. Der historische Kontext ist maßgeblich für die Beantwortung der Frage nach dem konkreten Verhältnis zwischen Staat und Kirche, inwieweit und wem tatsächlich Unterordnung geschuldet wird.
Paulus thematisiert in den Versen 6 und 7 des Kapitels 13 auch die Frage nach »Steuern & Zoll«. Ebenso wie das vorgenannte Thema, wird dies – damals wie heute- kontroverses diskutiert und Gläubige haben dazu viel gelesen und oft Abschließendes gehört. Allgemein wird gelehrt und geglaubt, dass Christen dem Staat die Steuern zu zahlen haben, die dieser fordert.
Wie feststellt, ist jedoch bereits mit »Obrigkeit« bzw. ziviler Autorität in Römer 13 etwas völlig anderes, als der moderne Territorialstaat mit seinem Gewalt- und Zwangsmonopol gemeint und zu verstehen. Was bedeutet das in Bezug auf Steuern?
Steuern in der Bibel
Die Bibel spricht »Steuern« eher selten an. Es existiert kein spezielles Buch oder Kapitel, die das Thema Steuern und Geld behandeln. Sprüche 29:4 spricht bspw. kein Verbot, jedoch eine Warnung vor zu hohen Steuern und Abgaben aus. Insgesamt werden Steuern (ähnlich wie Sklaverei, Polygamie etc.) zwar nicht verboten, letztlich aber als eine heidnische Praxis erwähnt (1Sam8) und beschrieben, die Menschen in Knechtschaft bringt. Steuern werden keineswegs als notwendig, wünschenswert oder gar positiv (Mt17:24) beurteilt. Moralisch scheinen diese also nur unter konkreten Bedingungen akzeptabel zu sein.
Es stellt sich nun die Frage, wem man wann konkret Steuern schuldet und wenn ja, in welcher Höhe. Die Steuern zur Zeit des Römischen Reiches waren, im Gegensatz zu heute, dabei moderat (höchstens 10%) [1] [2]. Nicht zuletzt, steht jedoch auch die grundsätzliche Frage im Raum, was mit Steuern oder Zoll „schulden“ gemeint ist oder ob man auch einem illegitimen Staat Steuern schuldet.
»Steuern schulden« – Wortherkunft und Verwendung
Der Begriff »Steuern« (»φόρος« →Tribut), wird im NT deutscher Bibelübersetzungen 5-mal verwendet (Lukas 20:22; Lukas 23:2 ; Römer 13:7 , Römer 13:6, vgl. auch 1 Makkabäer 10:33, 1 Makkabäer 8:4 ; 1 Makkabäer 8:7).
»Steuern« bedeuten zunächst einmal also Tribut, eine Zwangsabgabe. Unterworfene Völker waren Rom tributverpflichtet.
Der griechische Begriff »ὀφείλετε« (schulden, schuldig sein; durch einen Eid gebunden sein; verpflichtet sein, sollen, müssen) wird 35-mal im NT verwendet.
- etwas schuldig sein, verschuldet sein, Mt. 18:28, 30, 34
- sich verpflichten, eine Schuld eingehen, zur Erfüllung verpflichtet sein, Mt. 23:16, 18
- gebunden oder verpflichtet sein durch das, was fällig oder angemessen oder folglich notwendig ist, Lk. 17,10; Joh. 13,14
- Verdienst haben, verdienen, Joh. 19:7
- fällig oder angemessen sein, 1 Kor 7:3, 36; aus dem Aramäischen
- säumig sein, Lk. 11:4
Bedeutung und Verwendung der Begriffe im NT zeigen, dass es grundsätzlich um eine Verpflichtung handelt, die man entweder freiwillig eingegangen, die sich aus einer Notsituation ergeben hat oder unter Zwang geleistet werden muss.
Rahmenbedingungen
Mosaisches Gesetz
In Römer 13:8 thematisiert Paulus den Aspekt, des »Schulden« aus dem Blickwinkel des mosaischen Gesetzes bzw. der Zehn Gebote. Im Gesetz werden einerseits klare Eigentumsrechte definiert, illegitime Eingriffe in fremdes Eigentum als Diebstahl verurteilt, andererseits aber auch allgemein Verschuldungsvorgänge geregelt [3]. Vor diesem Hintergrund sagt Paulus in Römer 13:8-10 also, dass nur wenn man jemand etwas schuldig ist, überhaupt eine Verpflichtung zur Zahlung besteht.
Keine »Steuern« ohne Leistung
Auch das “Wem und Wofür bzw. Weshalb” beantwortet der Textabschnitt. In Römer 13:6 sagt Paulus:
„Deshalb zahlt ihr ja auch Steuer; denn sie sind Gottes Diener, auf diesen Dienst beständig bedacht.“
»Steuern« sind Paulus zufolge zweckgebundene Abgaben („deshalb zahlt ihr“), einer nicht näher konkretisierten zivilen Autorität(„Gottes Diener“). Historisch gesehen kommt dafür bspw. der König, ein Magistrat oder Rat von Bürgern in Frage. Der »Dienst«, besteht aus dem im Vers 4 definierten Auftrag/Leistung am »Schwert«, also der Verfolgung/Verurteilung/Wiedergutmachung von Verbrechen.
„Denn sie ist Gottes Dienerin, zu deinem Besten. Tust du aber Böses, so fürchte dich! Denn sie trägt das Schwert nicht umsonst; Gottes Dienerin ist sie, eine Rächerin zum Zorngericht an dem, der das Böse tut.“
Nicht übersehen werden sollte auch auf die Formulierung “ständig bedacht” oder “fortwährend tätig”. Einer untätigen Strafverfolgungsbehörde bzw. Justiz »schuldet« man entweder keine »Steuern« bzw. lediglich in angemessener Höhe. Die Höhe der damals üblichen »Steuern« belief sich – wie bereits angeführt- auf nicht mehr als 10%.
Von dem eingangs erwähnten “Der Christ hat dem Staat die Steuern zu zahlen, die dieser fordert” bleibt bei näherer Betrachtung des Textes also wenig übrig.
Der Staat besitzt ein Recht auf »Steuern«
Paulus greift bei diesem Abschnitt nicht zuletzt auf Christus (Mt17:24-27) zurück, der dasselbe Thema anspricht. Als Christus Petrus fragt, von wem denn die Obrigkeit überhaupt Zoll oder Steuern verlangen darf, verneint Christus ausdrücklich, das Gläubige überhaupt dazu verpflichtet wären. Mit einem erkennbaren Augenzwinkern beauftragte er Petrus jedoch damit, die verlangte »Steuern« aus einem Fischmaul zu nehmen und- um keinen Anstoß zu erregen- zu bezahlen (Vers 27). Dasselbe Prinzip finden wir in Römer 13
Beide Texten weisen also zum einen unberechtigte bzw. allgemein Steuerforderungen zurück, verweisen andererseits jedoch darauf, dass es unklug wäre nicht zu bezahlen [4]. Wir sollen kein Anstoß erregen bzw. König, Kaiser oder die heutige Regierung, wenden Gewalt an [5].
Wie bei anderen Themen (siehe Sklaverei, Polygamie) gibt Gott in dieser Frage offenkundig keine expliziten Gebote oder Anweisungen, sondern grundsätzlich und lebensnah Orientierung in einer gefallenen Welt. Paulus verweist in Römer 13 zudem die Bestrafung von Vergehen an Leib, Leben oder Eigentum an eine zivile Autorität. Nicht die Kirche oder der private Haushalt (Selbstjustiz, siehe Römer 12) sind mit dem Mandat betraut Verbrecher zu bestrafen. Gläubige sollen sich in allen moralischen Konfliktfällen zivilen Autoritäten unterordnen, solange diese das Gesetz Gottes akzeptieren und umsetzen. Dafür (Römer 13:6) und ausschließlich für diesen Zweck sollen Gläubige in angemessener Weise und Höhe (Steuern) bezahlen.
Wie bei anderen Themen (siehe Sklaverei, Polygamie) gibt Gott in dieser Frage offenkundig keine expliziten Gebote oder Anweisungen, sondern grundsätzlich und lebensnah Orientierung in einer gefallenen Welt. Paulus verweist in Römer 13 zudem die Bestrafung von Vergehen an Leib, Leben oder Eigentum an eine zivile Autorität. Nicht die Kirche oder der private Haushalt (Selbstjustiz, siehe Römer 12) sind mit dem Mandat betraut Verbrecher zu bestrafen. Gläubige sollen sich in allen moralischen Konfliktfällen zivilen Autoritäten unterordnen, solange diese das Gesetz Gottes akzeptieren und umsetzen. Dafür (Römer 13:6) und ausschließlich für diesen Zweck sollen Gläubige in angemessener Weise und Höhe (Steuern) bezahlen.
[1] Das römische Steuerwesen hatte kein einheitliches System, unterschied allgemein zwischen zwei von verschiedenen Arten von Steuern, die zudem nicht jeder zu zahlen hatte. Im Gegensatz zu heute waren diese äußerst moderat zu nennen. Die Grundertragssteuer (tributum soli) für Grundeigentümer (geschätzt höchstens 10%) und die Kopfsteuer (tributum capitis), von der römische Bürger (wie bspw. Paulus) befreit waren. Daneben existierten u. U. und zeitlich abweichend weitere Steuern (z.B. Erbsteuer). Lukas schreibt in Lukas2:1 bspw. von Steuerlisten in die sich die Galiläer und Judäer einzutragen hatten und in Mk 12:17 spricht Christus von der besonders als drückende und schmählich empfundenen Kopfsteuer. Die Steuerzahler schätzten sich dabei selbst ein (Selbstbesteuerung), wurden jedoch u. U. durch lokale Mitglieder der Oberschicht oder Zöllnern (publicani; bspw. Zachäus) überprüft.
[2] “…das alttestamentarische Gebot der Zahlung des Zehnten an die Priesterschaft ist ein deutliches Zeichen, dass kein Staat mehr als zehn Prozent des Volkseinkommens für sich beanspruchen darf, da er sich sonst über Gott erhebt. Damit wäre dem Wachstum eines Minimalstaates ebenfalls ein Riegel vorgeschoben, nämlich bei zehn Prozent des Volkseinkommens – selbstverständlich ebenfalls nur dann, wenn genügend Menschen an Gott glauben.”- Robert Grözinger
[3] Röm 13:8 In den Versen 8-10 geht es um das Verhältnis des Gläubigen zum mosaischen Gesetz. Niemandem etwas schulden heißt nicht, dass man sich nichts leihen darf. Es bedeutet, dass man immer “bezahlen soll, was man schuldet” (2.Mose 22,25), indem alle getroffenen Vereinbarungen eingehalten werden. Selbst die Rechte der Schuldner werden behandelt (5.Mose 24; Mose 15:1-3). In Psalm 37:21 heißt es bspw.: “Der Gottlose borgt und zahlt nicht zurück; der Gerechte aber ist barmherzig und gibt.”
[4] James Dunn (Word Biblical Commentary) ist der Ansicht, dass Paulus’ Lehre des “politischen Quietismus” in Römer 13 mit der besonderen Steuerpolitik und den Beziehungen zwischen Juden und Nichtjuden zusammenhängt, mit denen die römischen Christen zu tun hatten. Er schreibt:
“In den Annalen 13 berichtet er [Tacitus], dass das Jahr 58 durch anhaltende öffentliche Beschwerden über indirekte Steuern gekennzeichnet war. Neros erste Reaktion bestand darin, die Abschaffung aller indirekten Steuern vorzuschlagen. Doch die Senatoren warnten eindringlich vor den zu erwartenden Folgen – Einnahmeausfälle und die Forderung, auch die direkten Steuern abzuschaffen. Nero lenkte ein, aber man war sich einig, dass die Raffgier der Steuereintreiber gebremst werden müsse. Dieser Bericht von Tacitus reicht aus, um mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Steuererhebung in den Jahren vor 58 eine heikle Angelegenheit im öffentlichen Bereich war. Die Juden waren aufgrund ihrer besonderen Privilegien bei der Tempelsteuer besonders anfällig für den Vorwurf der Steuerhinterziehung. Und die Christen, die mit den Juden identifiziert wurden, waren in Situationen, in denen die Steuereintreiber zusätzliche Abgaben erhoben, z. B. auf Sendungen und Eigentum, ebenso anfällig. Sollten sie sich weigern oder beschweren und sich damit einem Gerichtsverfahren aussetzen, selbst wenn der Zöllner mehr verlangt hatte, als ihm zustand? Oder sollten sie zahlen und nichts sagen, um keine feindliche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen? Schließlich dauerte es nur noch sieben oder acht Jahre, bis die Christen als Sündenböcke für den Brand von Rom gejagt werden sollten. Man könnte den Christen durchaus raten, sich in einer politisch so heiklen Angelegenheit wie der öffentlichen Besteuerung “zurückzuhalten”. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Paulus’ Ermahnung zur Verantwortung der Christen gegenüber dem Staat mit einem entschiedenen Rat zur Zahlung von Steuern endet (13,6-7; siehe Kommentar zu 13,7).” (Dunn, Römer, liii) Quelle: The George Buchanan Forum: Jew-Gentile Relations, Tax Evasion, and Romans 13
[5] Im Jahr 6 n. Chr. erhoben die römischen Besatzer Palästinas dem jüdischen Volk eine Volkszählungssteuer. Der Tribut wurde nicht gut aufgenommen, und um 17 n. Chr. berichtet Tacitus in Buch II.42 der Annalen : “Auch die Provinzen Syriens und Judäas, erschöpft von ihren Lasten, flehten um eine Reduzierung des Tributs.” Eine Steuerrevolte, angeführt von Judas dem Galiläer , folgte bald . Judas der Galiläer lehrte, dass „die Besteuerung nicht besser sei als eine Einführung in die Sklaverei “, und er und seine Anhänger hätten „ einen unantastbaren Hang zur Freiheit “, indem sie Gott allein als König und Herrscher Israels anerkennen. Die Römer bekämpften den Aufstand jahrzehntelang brutal.
weiterführende Artikel:
Libertarian Christian Institute: Taxation is theft (The rest of the story)
Mises Institute: Render Unto Caesar: A Most Misunderstood New Testament Passage
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