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Dieser Artikel wurde auf der Seite des Libertarian Christian Institute am 02.04.2013 veröffentlicht. Er ist Teil einer kurzen Serie welche ursprünglich im September 2007 auf LewRockwell.com veröffentlicht worden ist. Im April 2008 gewann er den Best New Paper Award des Christian Scholars Forum an der University of Texas in Austin. In Teil 1 untersuche ich das Wesen des Staates in den Evangelien und konzentriere mich dabei auf die Versuchungen Christi und die berühmte Passage “Gebt dem Cäsar”. In Teil 2 liegt der Schwerpunkt auf Römer 13 und auf dessen praktischer Anwendung.
Einleitung
Das Thema Kirche und Staat sind auch heute noch Quelle vieler Konflikte unter Christen, was zu einer massiven Verwirrung darüber führt, was genau eine biblische Theologie des Staates und der öffentlichen Politik beinhaltet. Diese Verwirrung führt oft zu unbeholfenen Antworten auf wichtige Fragen, die das Verhältnis von Christen zur Regierung betreffen, wie z. B. “Welche Art von Regierung sollte ein Christ unterstützen?“, “Welcher öffentlichen Ordnung sollte man gehorchen?” oder “Was bedeutet Unterordnung unter die Regierung?”
Die meisten Christen versuchen, ihre politische Philosophie in irgendeiner Weise mit Römer 13 zu begründen, wenn sie es überhaupt versuchen. Auf den ersten Blick scheint dies eine akzeptable Lösung zu sein – Paulus scheint zur Unterordnung unter die Regierung aufzurufen. Aber wie lässt sich diese Passage mit der unbestreitbaren Tatsache vereinbaren, dass Einzelpersonen, die im Rahmen der Zwangsmaßnahmen von Staaten handeln, in der Geschichte der Menschheit die größten Verbrecher und Gewalttäter waren? Im Deutschland der 1930er und 40er Jahre beispielsweise haben sich Theologen auf Römer 13 berufen, um die Unterordnung unter das Nazi-Regime zu fördern, zumal dieses demokratisch gewählt war. Kürzlich erklärte ein Mitglied des simbabwischen Parlaments, dass der korrupte Diktator und Präsident Robert Mugabe von Gott gesandt sei und “bei den Wahlen im nächsten Jahr nicht angefochten werden sollte“.
Natürlich ist dies eine unangemessene Art und Weise, die Heilige Schrift zu verwenden, aber wie viel anders sind wir, die wir in den Vereinigten Staaten leben, einer Nation, die oft behauptet, christlich zu sein? Sollen wir einfach der Regierung gehorchen, weil die Bibel es sagt, oder steht mehr auf dem Spiel?
Es liegt auf der Hand, dass die Kirche einen besseren Rahmen braucht, um das Wesen des Staates und die Folgen der öffentlichen Politik zu beurteilen. Ich schlage vor, diesen Prozess mit einer Analyse einiger neutestamentlicher Passagen zu beginnen, die sich mit dem Verhältnis der Christen zur zivilen Regierung zu befassen scheinen, insbesondere mit dem, was wir in den Evangelien und in Römer 13 finden.
Die Evangelien und der Staat
Der erste Schritt zur Entwicklung einer biblischen Theologie des Staates muss darin bestehen, die Lehren Jesu zu untersuchen. Was hat Jesus gesagt und getan, das uns hilft zu verstehen, wie wir uns dem Staat gegenüber verhalten müssen? Diejenigen, die aus den Evangelien biblische Prinzipien über die Regierung ableiten wollen, wenden sich oft den berühmten “Gebt dem Kaiser” Passagen zu, einem Ereignis, das in jedem der synoptischen Evangelien aufgezeichnet ist (Matthäus 22,15-22, Markus 12,13-17, Lukas 20,20-26). Aber ist dies der einzige Text des Evangeliums, der in Bezug auf die zivile Verwaltung diskussionswürdig ist? Meiner Meinung nach nicht. Man kann auch durch die Versuchungen Jesu und einen kurzen Vergleich zwischen dem Menschenreich und dem Reich Gottes einige wichtige Informationen über das Wesen des Staates erhalten.
Wir beginnen mit einer Analyse der “Gebt dem Kaiser” Passagen, indem wir zunächst den Text von Matthäus 22 untersuchen:
15 Da gingen die Pharisäer und hielten Rat, wie sie ihn in der Rede fangen könnten. 16 Und sie sandten ihre Jünger samt den Herodianern zu ihm, die sprachen: Meister, wir wissen, dass du wahrhaftig bist und den Weg Gottes in Wahrheit lehrst und auf niemand Rücksicht nimmst; denn du siehst die Person der Menschen nicht an. 17 Darum sage uns, was meinst du: Ist es erlaubt, dem Kaiser die Steuer zu geben, oder nicht? 18 Da aber Jesus ihre Bosheit erkannte, sprach er: Ihr Heuchler, was versucht ihr mich? 19 Zeigt mir die Steuermünze! Da reichten sie ihm einen Denar. 20 Und er spricht zu ihnen: Wessen ist dieses Bild und die Aufschrift? 21 Sie antworteten ihm: Des Kaisers. Da spricht er zu ihnen: So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist! 22 Als sie das hörten, verwunderten sie sich, und sie ließen ab von ihm und gingen davon.
(Matthäus 22:15-22, Schlachter)
Bei Matthäus schicken die Pharisäer einige ihrer Jünger zusammen mit Herodianern zu Jesus, um ihn im Tempel “bei seinen Worten zu fangen“. Im Markusevangelium heißt es, dass “sie einige der Pharisäer und Herodianer zu Jesus schickten“, wobei es sich wahrscheinlich um die Hohenpriester, Gesetzeslehrer und Ältesten handelt, die in Markus 11,27 erwähnt werden. Seltsamerweise bezeichnet Lukas die Vernehmer als “Aufpasser” der Priester, Lehrer und Ältesten. Die Identität dieser Fragesteller ist nicht unbedeutend. Die Pharisäer und die Herodianer unterschieden sich in der Tat stark in ihrer Philosophie. Die Herodianer waren für die römische Herrschaft und nutzten die Macht der Römer, um bestimmte Vorteile zu erlangen. Die Pharisäer hingegen standen den Römern eher ambivalent gegenüber; die Pharisäer tolerierten sie im Allgemeinen, solange die jüdischen religiösen Praktiken in Ruhe gelassen wurden. Die Pharisäer und Herodianer werden jedoch wegen ihrer gemeinsamen Gegnerschaft zu Jesus zusammengefasst.
In jedem Evangelium wird die Frage anders eingeleitet, aber die Formulierung der Frage selbst ist immer dieselbe: “Ist es rechtmäßig, dass wir dem Kaiser Steuern zahlen oder nicht?” Die Frage ist sehr geschickt gestellt. Die Herodianer wären dafür, die Steuer zu zahlen, und wenn Jesus die Frage verneint, haben sie einen Grund, ihn wegen Aufruhrs gegen den Kaiser zu verhaften. Andererseits wären die Pharisäer im Allgemeinen nicht mit der Steuer einverstanden (obwohl sie gezwungen waren, sie zu zahlen), und eine bejahende Antwort würde wahrscheinlich dazu führen, dass Jesus die Unterstützung der Bevölkerung verliert. Darüber hinaus enthält die Frage eine subtile juristische Formulierung, indem sie “ist es rechtmäßig” oder in einigen Übersetzungen “ist es erlaubt” fragt. Mit anderen Worten, die Pharisäer fragen: “Ist es mit der Thora (dem jüdischen Gesetz) vereinbar, die Steuer an den Kaiser zu zahlen oder nicht?” Alle Anwesenden kannten das Gesetz und die Worte aus Levitikus 25:23: “Das Land [Israels] soll nicht verkauft werden auf ewig, denn das Land ist mein.” Die Frage wurde nun noch komplizierter, weil die Thora auf dem Spiel stehen könnte. Da Cäsar versucht, Gott das Land wegzunehmen, ist es da nicht Ungehorsam, die Steuer zu zahlen?
Jesus durchschaut natürlich die Trickserei und antwortet mit einem eigenen klugen Kunstgriff. Als er die Pharisäer auffordert, eine Münze vorzulegen, bringen sie unwissentlich genau den Beweis hervor, der ihre Heuchelei entlarvt. Jesus fragt sie, wessen Bild und Inschrift auf der Münze zu sehen ist. Sie antworten, wahrscheinlich widerstrebend: “Cäsars“. Aber sie und die umstehenden Menschen erkennen ihren Irrtum, denn die Inschriften auf diesen Münzen lauten immer: “Tiberius Cäsar, Augustus, Sohn des göttlichen Augustus, Oberpriester“. Die Pharisäer, jene Führer, von denen man erwartet, dass sie das Gesetz Gottes aufrechterhalten, haben einen Gegenstand in den Tempel gebracht, der tatsächlich gegen das zweite Gebot verstößt, keine Götzenbilder zu haben, was zeigt, dass sie in ihrem Herzen auch das erste Gebot brechen. Sie, nicht Jesus, sind die Heuchler. Sie sind diejenigen, die sich in das heidnische System der Römer eingekauft haben. Nach Einschätzung des Kommentators Thomas Long bedeutet die Antwort Jesu: “Jeder muss sich zwischen dem Kaiser und Gott entscheiden. Niemand kann zwei Herren dienen (Mt. 6:24). Sie scheinen Ihre Entscheidung getroffen und einen bequemen Kompromiss eingegangen zu sein. Aber was ist mit Ihrer Verpflichtung gegenüber Gott? Gebt Gott, was Gott gehört. Wähle heute, wem du dienen willst” (251).
Wenn diese Interpretation richtig ist, dann gibt es hier tatsächlich keinen Leitfaden für die Lösung der Frage von Kirche und Staat. Staatliche Praktiken werden hier in keiner Weise legitimiert. Vielmehr sagt Jesus, dass alle hübschen Schablonen der Unterteilung des Lebens, die wir schaffen, fallen müssen, und rät von Nationalismus oder Hurrapatriotismus als legitime kirchliche Praxis ab. Wir mögen unter einem Staat leben, aber wir gehören ganz und gar dem Gott, der über allen Staaten steht. Wir sollen Gott immer das geben, was Gott gehört.
Ein interessanter Hinweis auf das Wesen des Staates findet sich in den Versuchungen Jesu (Mt 4,1-11, Lk 4,1-13), die nur von wenigen Kommentatoren aufgegriffen werden. Bei Matthäus geht es bei der dritten Versuchung Jesu um “die Reiche der Welt und ihre Pracht“, die der Satan Jesus geben kann, wenn er dem Satan gehorcht. Obwohl Satan als “Fürst dieser Welt” gilt (Johannes 12:31, 14:30, 16:11), wird merkwürdigerweise nicht oft ernsthaft darüber nachgedacht, was Satans Angebot bedeutet. Ich denke, dass Satan sein Angebot aufrichtig gemeint hat; Jesus hat es nicht als unmöglich abgetan. Jesus scheint zu verstehen, dass die Reiche dieser Welt dem Satan gehören, und wir sollten nicht anders glauben. Das bedeutet logischerweise, dass die Reiche dieser Welt mit Gott verfeindet sind. Tatsächlich bezeugt die Heilige Schrift dies direkt und indirekt an mehreren Stellen. Das Alte Testament weist nachdrücklich darauf hin, dass die heidnischen Religionen, die oft von Satan durch ihre Zauberei und Hexerei gefördert wurden, eng mit der politischen Führung einer Nation verbunden waren. G.K. Chesterton stimmt dieser Einschätzung zu und führt in seinem Buch “Der unsterbliche Mensch” Beweise aus der Geschichte an. Herodes erkennt eindeutig, dass das Christuskind eine Bedrohung für seine Macht darstellt, und ordnet daher die Tötung von Hunderten, wenn nicht Tausenden von Säuglingen an, um diesen Übergriff zu verhindern (Mt 2). Darüber hinaus zieht sich das Thema Babylon als böser Staat unter dem Einfluss Satans durch das Buch der Offenbarung. In Offenbarung 18:4 beispielsweise ermahnt Gott seine Gemeinde, “aus ihr [Babylon] herauszugehen, mein Volk, damit du nicht an ihren Sünden teilhast, damit du keine ihrer Plagen empfängst.
Eine kurze Erörterung der Unterschiede zwischen dem Reich der Menschen und dem Reich Gottes ist für diese Diskussion sehr aufschlussreich. Eines der wiederkehrenden Themen in den Evangelien, insbesondere bei Matthäus, ist, dass Jesus ein König ist, der das Reich Gottes bringt. Aber Jesus sagt ausdrücklich: “Mein Reich ist nicht von dieser Welt … mein Reich ist nicht von hier” (Johannes 18,36). Die “Regeln des Reiches Gottes“, wie sie in der Bergpredigt erklärt werden, unterscheiden sich von allen staatlichen Gesetzen, die je existiert haben. Außerdem ist es nicht die Aufgabe des Christen, physische Gewalt anzuwenden, um sein Reich herbeizuführen, sondern “trachtet zuerst nach seinem Reich und nach seiner Gerechtigkeit” (Mt 6,33). Die Reiche der Menschen gründen sich auf Macht und Gewalt, das Reich Gottes aber gründet sich auf Demut (Mt 18,4), Dienst (Mt 20,26) und Liebe (Joh 13,35). Obwohl wir nicht umhin können, an die Zustände in dieser Welt gebunden zu sein, werden wir einmal mehr daran erinnert, dass “unser Bürgerrecht im Himmel ist” (Philipper 3,20).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es praktisch keine direkten Lehren Jesu über die zivile Regierung gibt, aber die Evangelien machen einige starke Andeutungen über das Wesen des Staates, die uns vielleicht überraschen. Der Staat scheint eine starke Verbindung zu Satan und seinem Reich zu haben und steht im Gegensatz zum Reich Gottes, das den Gebrauch von Macht zum persönlichen Vorteil meidet.
Lesen Sie im Teil 2 weiter.
Artikel wird mit freundlicher Genehmigung des Libertarian Christian Institute veröffentlicht.

Dr. Norman Horn
Gründer und aktuell Präsident von LibertarianChristians.com und des Libertarian Christian Institute. Er hat einen Doktortitel in Chemieingenieurwesen von der University of Texas in Austin und einen Master of Arts in theologischen Studien von der Austin Graduate School of Theology. Er arbeitet hauptberuflich als Chemieingenieur und Forscher in der Gesundheitsbranche.
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